Pauli Enthauptung
In der ganzen katholischen Welt, vorzugsweise aber in Rom, dem Mittelpunkt der Christenheit, wird das heutige Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus mit Recht wie ein zweites Osterfest gefeiert, denn im Martertod der beiden Glaubenszeugen wurde der Sieg Christi auch über das Heidentum grundgelegt. Ihr Sterbetag war der Ostertag des christlichen Rom und der Geburtstag des christlichen Abendlandes. Wie ein zweites Osterfest ist der heutige Tag.
Der heilige Apostel Petrus:
Da fährt vor zweitausend Jahren ein Boot auf den See Genezareth hinaus. Die Fischer werfen die Netze zum Fang aus. Tag für Tag tun sie es. Unter den Männern, die da mit Netz und Angel ihr Handwerk betreiben, ist einer, der Simon heißt, ohne Schulbildung, hitzig und blitzig im Wesen, aber ein kerniger Mann, ein Geradeaus, treuherzig und dienstbereit und im Übrigen nur einer von den vielen. Alles in allem, Simon, der Sohn des Jonas, ist ein unbekannter Fischer in einem verlorenen Winkel der Welt, über den nach dem Tod die Zeit hinweggehen wird, wie die Wellen des Sees die Spur seiner Barke verschlingen.
Doch da taucht eines Tages im Blickfeld des galiläischen Fischers ein Mann auf, der schon bald weitum im Land ein Stein des Anstoßes für die einen und für die anderen die Beseligende Erfüllung einer jahrhundertealten Sehnsucht sein wird. Diesem Einzigen und Herrlichen begegnet der unbekannte Fischer Simon, und als er ihm begegnet, legt der andere in freier Gnadenwahl die Hand auf ihn und nimmt ihn für sich so ausschließlich in Beschlag, dass er ihm sogar einen neuen Namen gibt. Simon hieß der Fischer, Petrus wird der Menschenfischer heißen, Petrus der Fels, auf den der Herr seine Kirche bauen will.
Es war ein etwas wackeliger Fels, dieser Simon Petrus, denn alle Liebe und Hingabe, die er ehrlich und herzlich in männlich schöner Art dem Meister entgegenbringt, können es nicht verhindern, dass derjenige, der kurz zuvor Treue bis in den Tod geschworen hat, im Augenblick der Gefahr bei der Gefangennahme Jesu schmählich flieht und eine Stunde später dreimal steif und fest behauptet, dass er diesen Menschen nicht einmal kenne.
Ein wackeliger Fels war Petrus, aber trotzdem hat ihn der Herr, weil er ihn zum Eckstein auserlesen hatte, nicht verworfen, sondern auf ihn seine Kirche gebaut, groß und mächtig, und siehe da, wenn Menschen ohne Gott selbst auf Granit bauen, stürzt der Bau einmal zusammen. Wenn aber Gott auf einen wackeligen Felsen baut, so hält der Bau jahrtausendelang.
So war es bei Petrus. Bitter hat derjenige, den der Herr des größten Vorzuges würdigte, seine Untreue bereut, und die Reue hat er mit dem Blut im Martertod besiegelt, froh, dass er wie der Meister gekreuzigt wurde und dass ihm die Gnade zuteil wurde, mit dem Haupt nach unten gekreuzigt zu werden, weil er sich der Ehre nicht würdig hielt, auf die gleiche Weise wie der Herr zu sterben.
Als dann Petrus an der Stätte, wo er gerichtet, auch begraben wurde, war das Fundament gelegt, fest und stark und unzerstörbar, so dass darauf der herrlichste Dom, den es auf Erden gibt, errichtet werden konnte, in dessen Kuppelwölbung mit goldenen Buchstaben die für alle Zeiten unlöschbaren Worte stehen: „Du bist Petrus, der Fels. Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“
Doch Sankt Peters Dom zu Rom, wie herrlich und groß er auch sein mag, ist nur ein schwaches Abbild jener weit herrlicheren und größeren unsichtbaren Kirche, welche die gesamte Christenheit darstellt. Auch diese Kirche, die sich über alle fünf Weltteile erstreckt, ist gebaut und steht fest begründet auf dem Felsenmann Petrus, der ehedem ein unbekannter Fischer war, dann aber durch die Gnade Gottes seit zweitausend Jahren das Fundament ist, auf dem die Kirche steht, von der Christus gesagt hat, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden.
Der heilige Apostel Paulus:
Etwa um die Zeit, da der zwölfjährige Jesus mit Maria und Josef zum Tempel nach Jerusalem wallfahrtete, erblickte weitab in der kleinasiatischen Stadt Tarsus ein Kind das Licht der Welt, dem die Eltern in Anlehnung an die Heilige Schrift des Alten Testamentes den Königsnamen Saul gaben, und ein Fürst ist der Junge auch geworden, ein Fürst im Reich des Christkönigs, einer von den beiden Apostelfürsten.
Sauls Eltern waren strenggläubige Israeliten, die den Sohn in der Ehrfurcht vor dem Herrn erzogen, so dass der zwanzigjährige junge Mann, der für den Lebensunterhalt das schwere Zeltweberhandwerk erlernt hatte, nach Jerusalem übersiedelte und sich an der dortigen jüdischen Hochschule im Gesetz unterrichten ließ, um später als Gesetzeslehrer zu wirken. Es geschah das um die gleiche Zeit, da der Heiland öffentlich auftrat und den Kreuzestod starb.
Saulus hat damals den Erlöser nicht gefunden, denn er gehörte zu den halsstarrigen Juden, die den Messias nicht annahmen, sondern sich ihm widersetzten, und als sich nach dem Pfingstfest die Kirche Jesu Christi unter dem jüdischen Volk ausbreitete, entwickelte sich Saulus zu einem eifrigen Verfolger, der alle Christen, die er ausfindig machen konnte, dem Hohen Rat, der obersten Gerichtsbehörde in Israel, mit Lust und Wonne anzeigte.
Als Stephanus, der erste Martyrer, gesteinigt wurde, übergaben diejenigen, die ihn töteten, dem Saul die Kleider zum Aufbewahren, und höhnisch lächelnd, schaute der junge Gesetzeslehrer dem grausamen Werk der Steinigung zu. Kurze Zeit später war Saulus mit einem polizeilichen Aufgebot nach Damaskus unterwegs, um auch die dortigen Christen aufzuspüren und anzuzeigen.
Als allerdings der blindwütige Mann in Damaskus anlangte, war er kein Christenverfolger mehr, denn Christus war ihm unterwegs erschienen und hatte in einem einzigen Augenblick an ihm das Wunder der Bekehrung vollbracht. So gut ist das Herz des Heilandes, dass es sich selbst der ärgsten Feinde huldvoll erbarmt.
Saulus wurde Christ und ließ sich fortan Paulus nennen, das heißt auf Deutsch „der Geringe“, aber aus dem Geringen wurde später einer, der mit Petrus zu den beiden Apostelfürsten zählt. Es ist fast unglaublich, was der ehemalige wütende Christushasser in einer grenzenlosen Christusliebe geleistet hat, um das Evangelium des Gekreuzigten den Juden und den Heiden zu verkündigen.
Etwa fünfzehn Jahre lang war der körperlich schwache und stets kränkelnde Mann auf Missionsreisen unterwegs. Aneinandergereiht, legte Paulus zu Land einen Weg zurück, der zehnmal der Strecke von München nach Rom entspricht, und die Reisen des Heiligen zur See machen viermal die Entfernung von Rom nach Jerusalem aus. Von den unvorstellbaren Mühen dieser Missionsreisen aber erzählt der Apostel selbst:
„Vielerlei Mühen habe ich erduldet, häufige Kerkerhaft, Misshandlungen über alle Maßen und oftmals Todesgefahr. Fünfmal empfing ich von den Juden vierzig Streiche weniger einen. Dreimal wurde ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt, dreimal litt ich Schiffbruch, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf hoher See. Reisen in großer Zahl, Gefahren in Flüssen, Gefahren von Räubern, Gefahren von meinem Volk ... Mühsal und Elend, schlaflose Nächte, Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße ...“
So berichtet derjenige, der sich selbst den Geringsten unter den Aposteln nennt, und doch ist dieser Mann ganz groß, und überall, wo er weilte, gründete er Christengemeinden, verkündete unablässig die Frohbotschaft vom Reiche Christi, hielt durch Briefe die fernen Glaubensbrüder bei der Stange, saß um des Glaubens willen zwei Jahre im Kerker, stand zwei weitere Jahre unter polizeilicher Aufsicht, duldete und litt, nur rastete und ruhte er nicht bis zum glorreichen Martertod am 29. Juni des Jahres 67.
Bekehrung des heiligen Apostels Paulus:
Der große Heidenapostel war ein geborener Jude, aus dem Stamm Benjamin, und empfing bei seiner Beschneidung den Namen Saul. Sein Vater wohnte zu Tarsus, der Hauptstadt Ciliciens, und war folglich ein römischer Bürger. Seine Eltern schickten ihn frühzeitig nach Jerusalem, wo ihn Gamaliel, der durch seine Kenntnisse, wie durch seine Geburt gleich ausgezeichnet war, in der genauesten Beobachtung des Mosaischen Gesetzes heranbildete. Er war ein eifriger Anhänger der pharisäischen Sekte, der strengsten aber auch der stolzesten von allen, und die am meisten im Widerspruch stand mit dem Geist der Demut, den das Evangelium so sehr empfiehlt.
Der heilige Paulus zeichnete sich vor allen seinen Altersgenossen aus durch seinen Eifer für das Gesetz und die jüdischen Überlieferungen. Und eben dieser noch unerleuchtete Eifer machte ihn zum Gotteslästerer, zum Verfolger und zum heftigsten Feind Jesu Christi. Er war zugegen beim Tod des heiligen Stephanus, und gab dazu seine Zustimmung. Er bewachte die Oberkleider derer, die ihn steinigten, und steinigte ihn so, nach der Bemerkung des heiligen Augustin, durch die Hände aller anderen. Eben dieser Vater schreibt auch die Bekehrung des heiligen Paulus, die bald darauf erfolgte, den Gebeten zu, die der heilige Diakon für seine Feinde zu Gott sandte. „Die Kirche“, sagt er, „würde niemals einen Paulus gehabt haben, wenn Stephanus nicht gebetet hätte.“
Die Priester und Vorsteher der Juden erregten in jenen Tagen eine heftige Verfolgung gegen die Kirche von Jerusalem, und Saul zeigte den bittersten Eifer, die Jünger Jesu auszurotten. Kraft der ihm vom Hohenpriester erteilten Vollmacht riss er die Christen aus ihren Häusern, legte sie in Fesseln, schleppte sie in die Gefängnisse, ließ sie mit Ruten schlagen, und wandte alle Peinigungsarten an, um sie zu zwingen, den Namen Jesus zu lästern. Saul, der unseren Heiland und seine Jünger unaufhörlich als Feinde des Mosaischen Gesetzes darstellen hörte, rief Drohungen gegen die Jünger des Herrn aus und lechzte nach ihrem Blut. Er ließ sich daher vom Hohenpriester und dem Rat der Ältesten Gewaltbriefe erteilen, alle Juden, die Jesus bekennen würden, in Damaskus aufzugreifen und nach Jerusalem führen zu dürfen, um sie dort so zu züchtigen, dass alle abgeschreckt würden, ihrem Beispiel zu folgen. Sein Name allein war schon ein Schrecken für alle Gläubigen.
Eitel sind aber der Menschen Anschläge. Gott wollte auf das Gebet des heiligen Stephanus und der anderen verfolgten Gläubigen an Saul seine Langmut offenbar werden lassen. Es war um die Mittagszeit, als er sich Damaskus näherte. Plötzlich umstrahlte ihn und seine Begleiter ein Licht vom Himmel, das die Sonne selbst an Glanz übertraf. Alle sahen das Licht, und fielen, von Schrecken ergriffen, zur Erde nieder, und Saul hörte eine Stimme, die ihm ganz vernehmlich sagte, ohne jedoch von den anderen, die sie ebenfalls hörten, verstanden zu werden: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Saul antwortete: „Wer bist du, Herr?“ Und der Herr sagte ihm: „“Ich bin Jesus von Nazareth, den du verfolgst.“ Dieser sanfte Verweis des Erlösers, begleitet von der inneren Gnadensalbung, erweichte Sauls Hartherzigkeit, löschte aus seine Verfolgungswut, heilte seinen Stolz, und schuf ihn zu einem ganz neuen Menschen um. Bebend rief er aus: „Herr, was willst du, das ich tue?“ Jesus befahl nun dem tieferschütterten Saul, sich aufzurichten und in die Stadt zu gehen, wo einer seiner Diener ihn lehren würde, was er zu tun habe. Saul erhob sich von der Erde, sah aber nichts, obgleich er seine Augen öffnete, und man musste ihn an der Hand nach Damaskus führen. Da wohnte er im Haus eines Juden mit Namen Judas, und blieb drei Tage seines Gesichtes beraubt, ohne zu essen oder zu trinken, ohne zu wissen, was Gott von ihm fordert.
Zu Damaskus war ein Jünger Jesu, Ananias mit Namen. Ihm erschien der Herr, und sagte ihm, er soll den Saul im Haus des Judas aufsuchen, wo er im Gebet begriffen sei. Der Name Saul erfüllte den frommen Ananias schon mit Entsetzen, denn er wusste alles Übel, das er den Gläubigen zu Jerusalem zugefügt hatte, und warum er auch nach Damaskus kam. Der Herr wiederholte aber diesen Befehl und sagte ihm zu seiner Beruhigung: „Gehe hin, er ist ein Werkzeug, das ich erwählt habe, meinen Namen den Heiden und Königen und Israels Kindern zu bringen. Ich will ihm kund machen, wie viel er um meines Namens willen werde leiden müssen.“ Zu gleicher Zeit sah Saul in einem Gesicht einen Mann, der zu ihm hineintrat, und ihm die Hände auflegte, dass er das Gesicht wiedererhielt. Ananias ging zu Saul, legte ihm die Hände auf und sagte: „Saul, mein Bruder, der Herr Jesus, der dir auf deiner Reise erschienen ist, hat mich hierher gesandt, damit du das Augenlicht wiedererlangst, und mit dem Heiligen Geist erfüllt wirst.“ Sogleich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, und er sah. Ananias setzte noch bei: „Der Gott unserer Väter hat dich vorherbestimmt, seinen Willen zu kennen, um den Gerechten zu sehen, und die Worte aus seinem Mund zu hören. Denn du sollst ihm Zeugnis geben vor allen Menschen, von allem, was du gesehen und gehört hast. Was zögerst du also? Steh auf, und lass dich taufen, und wasche ab deine Sünden durch Anrufung des Namens Gottes!“
Saul stand auf, um die Taufe zu empfangen, und kam nach einer Speise wieder zu Kräften. Er blieb dann einige Tage bei den Jüngern zu Damaskus, fing an, Jesus in den Synagogen zu predigen, und verkündete laut, dass er der Sohn Gottes ist. So wurde aus einem Lästerer und Verfolger ein Apostel und eins der Hauptwerkzeuge, deren sich Gott zur Bekehrung der Welt bediente.