Dieser Heilige erhielt wegen seiner außerordentlichen Demut und seiner gänzlichen Unwissenheit in allen menschlichen Wissenschaften den Beinamen der Einfältige. Er war ein armer Tagelöhner, der in der Welt Gott bis in sein sechzigstes Lebensjahr treu gedient hatte, und sich dann erst in die Einsamkeit zurückzog wegen seiner lasterhaften Frau, die er auf einem Ehebruch ertappte. Voll von dem Gedanken, sich Gott ohne allen Rückhalt zu weihen, verließ er sein Haus und vergrub sich in die Wüste. Nach einer Reise von acht Tagen langte er endlich an dem Ort an, wohin sich der heilige Antonius zurückgezogen hatte. An diesen Heiligen wandte er sich mit der inständigen Bitte, unter die Zahl seiner Schüler aufgenommen und auf den Weg des Heils geführt zu werden.
Antonius schlug ihm sein Begehren ab. Er sagte ihm, er sei zu alt, um die strenge Lebensweise der Einsiedler ertragen zu können, und gab ihm daher der Rat, in sein Haus zurückzukehren und bei seinem Stand zu bleiben, wo er sich ja auch heiligen könne, wenn er alle seine Handlungen mit steter Richtung auf Gott ausübe. Nach dieser Ermahnung verschloss er seine Tür. Paulus ließ sich aber nicht zurückweisen. Er wartete an der Tür des Heiligen, wo er strenges Fasten mit anhaltendem Gebet vereinigte. Antonius, schließlich gerührt durch den frommen Eifer des Bittenden, öffnete ihm nach vier Tagen seine Tür und nahm ihn, nachdem er seinen Gehorsam auf mehrfache Weise geprüft hatte, unter die Zahl seiner Jünger auf. Er schrieb ihm eine Lebensordnung vor, nach der er unermüdlich arbeiten sollte seine Leidenschaften zu zähmen, seine Sinne und seinen Willen abzutöten, die Neigungen seines Herzens immer mehr zu läutern und das Feuer der göttlichen Liebe in sich zu entzünden. Er lehrte ihn die wahre Weise zu beten, verbot ihm vor Sonnenuntergang zu essen, und empfahl ihm, sich nie ganz zu sättigen. Paulus befolgte genau die Weisungen seines Lehrers und gelangte in kurzer Zeit zu einer großen Vollkommenheit. Hier nur einige Beispiele für seinen Gehorsam, um zu zeigen, zu welchem hohen Grad er in dieser Tugend gelangte.
Eines Tages, da er irgendeine Arbeit vollendet hatte, missbilligte sie der heilige Antonius und befahl ihm, es anders zu machen. Er gehorchte ohne ein Wort zu erwidern und ohne Nahrung zu begehren, obgleich er seit sieben Tagen noch nichts gegessen hatte. Ein anderes Mal sagte ihm der heilige Antonius, er solle Brot in Wasser einweichen, denn das Brot der Einsiedler war sehr hart und trocken. Als alles zum Mahl bereitet war, befahl er ihm, statt ihn essen zu lassen, Psalmen mit ihm zu singen. Nach vollbrachtem Gesang hieß er ihn sich zur Ruhe zu begeben, rief ihn aber wieder um Mitternacht auf, um mit ihm zusammen zu beten. Paulus bestand alle diese Prüfungen mit einer bewunderungswürdigen Geduld, und unterhielt sich mit Gott bis drei Uhr des folgenden Nachmittags. Am Abend aß er und sein Meister jeder ein Brot. Worauf ihn Antonius fragte, ob er ein zweites essen will: „Ich will wohl, wenn du selbst noch eins isst.“ „Aber ich bin Einsiedler“, sagte Antonius. „Und ich will es werden“, erwiderte Paulus. Hierauf fingen sie wieder an zu beten, sangen zwölf Psalmen, und verrichteten noch mehrere andere Gebete. Dann gestatteten sie dem Körper einige Ruhe bis Mitternacht, wo sie wieder dieselbe Andachtsübung begannen.
Dies waren aber nicht die einzigen Prüfungen, in denen der heilige Antonius seines Schülers Gehorsam bewährt fand. Eines Tages, da mehrere Einsiedler gekommen waren, ihn um Rat zu fragen, hieß er ihn Honig ausgießen, der in einem Gefäß war, und ihn dann wieder zurück gießen, ohne Verunreinigungen hineinzubringen. Ein anderes Mal beschäftigte er ihn einen ganzen Tag mit Wasserziehen, das er ihm sogleich wieder auszugießen befahl. Bald gab er ihm die Weisung seine Körbe auseinanderzureißen und von neuem zu machen, sein Kleid aufzutrennen und wieder zusammen zu nähen. Paulus hatte schließlich gar keinen Willen mehr und handelte in allem nach dem des heiligen Antonius.
Nachdem nun Antonius von der frommen Stimmung seines Schülers auf diese Weise sich ganz versichert und ihn vollkommen in den Pflichten des Einsiedlerlebens unterrichtet hatte, schickte er ihn in eine Zelle, die er ihm eine Stunde von den Seinigen erbauen ließ. Da besuchte er ihn von Zeit zu Zeit und sah mit Freude, wie treu er alle seine Vorschriften befolgte. Er hatte auch einen so hohen Begriff von ihm, dass er ihn seinen anderen Schülern als ein vollendetes Muster zur Nachahmung vorstellte. Die Kranken und Besessenen, die er selbst nicht heilen konnte, schickte er zu ihm, indem er wusste, dass dieser fromme Einsiedler von Gott eine größere Wunderkraft, als er selbst empfangen habe, und Paulus erhielt auch jedes Mal ihre Genesung durch ein glühendes und vertrauensvolles Gebet. Mehr als dies weiß man von seinem Leben nicht. Er starb einige Zeit nach dem Jahr 330. Die Griechen und Lateiner verehren ihn am 7. März.