Im Jahr 433 spielte sich in Rom ein eigenartiges Ereignis ab.
Von Ravenna, wo damals die weströmischen Kaiser regierten, war eine Gesandtschaft nach der Hauptstadt der Christenheit gekommen, um bei Papst Sixtus III. die Bestätigung des neuen Erzbischofs zu erbitten, den man kurz zuvor nach dem Tod des Vorgängers zu dem Amt erwählt hatte. Um sich vom Papst die Erlaubnis zu holen, das Amt anzutreten und die bischöfliche Weihe zu empfangen, war der Gewählte mit zahlreichem Geleit nach Rom gekommen.
Wie groß aber war das Erstaunen aller, als Sixtus III. die erbetene Bestätigung nicht erteilte, sondern einen schlichten Diakon aus dem Gefolge des Gewählten, Petrus mit Namen, zum Erzbischof von Ravenna ernannte.
Es sei ihm, so begründete der Papst den ungewöhnlichen Schritt, der heilige Petrus in Begleitung des heiligen Apollinaris im Traum erschienen, welch letzterer bekanntlich der erste Bischof von Ravenna zur Zeit der Apostel war. Beide, Petrus und Apollinaris, hätten ihm, dem Papst, einen jungen Mann gezeigt und ihm bedeutet, dass dieser und nicht der andere zum Erzbischof erhoben werden solle. Den jungen Mann, den er im Traum gesehen hätte, habe er in dem Diakon Petrus wiedererkannt, und deshalb solle er Erzbischof von Ravenna werden.
Unter solchen Umständen wurde im Jahr 433 der Diakon Petrus Kirchenfürst in der Kaiserstadt Ravenna. Derjenige, der bisher nicht einmal Priester war, sah sich plötzlich als Erzbischof in ein Amt versetzt, in dem ihm sogar alte Bischöfe untergeben waren. Hochstehende Männer der Residenz und der Staatsregierung verbeugten sich vor ihm. Schmeichler drängten sich um ihn, und selbst am Kaiserhof warb man um seine Gunst, denn damals gehörte seine Stellung zu den einflussreichsten der Zeit.
Hervorragend war die Art, wie der junge Bischof das Bistum verwaltete. Dabei kam ihm besonders eine glänzende Redegabe zustatten. Wie Gold perlten ihm die Worte von den Lippen, und deswegen erhielt er den Zunamen „Chrysologus“, Chryso heißt Gold, und logus heißt Wort, und als Petrus Goldwort ist der heilige Bischof von Ravenna in die Geschichte eingegangen.
Wo Petrus predigte, reichte der größte Dom nicht hin, die Menschen zu fassen, die herbeiströmten, um seinen Worten zu lauschen. Viele kamen anfangs aus Neugierde, weil es zum guten Ton gehörte, den berühmten Sprecher einmal vernommen zu haben, aber den meisten ist die Neugierde bald vergangen, denn aus dem feurigen Redner auf der Kanzel sprach mit Gottes Kraft Gottes Geist. Rücksichtslos geißelte der Erzbischof die Laster, herrlich wusste er die Tugenden zu schildern, und nicht lange dauerte es, da nahm die verrufene Kaiserstadt Ravenna ein anderes Gesicht an, ein christliches Gesicht.
Siebzehn Jahre hat der heilige Petrus Chrysologus sein Bistum verwaltet. Im Jahre 450 ist er gestorben, und bald darauf wurde er als Heiliger und wegen seiner hinterlassenen wertvollen Schriften auch als Kirchenlehrer verehrt.
Damit könnte die Lebensbeschreibung als beendet gelten, aber zum Schluss will uns der heilige Petrus Chrysologus noch einen schönen Adventsgedanken mitteilen.
Einmal nämlich predigte der Erzbischof von Ravenna, weil es nötig war, scharf gegen die ausgelassenen Feiern und die sündhaften Tänze, wie sie damals zwischen Weihnachten und Neujahr mächtig im Schwang waren. In dieser Predigt sprach er die für immer gültigen und denkwürdigen Worte:
„Wer mit dem Teufel scherzen will, kann sich mit Christus nicht freuen.“