Symbolbild Zisterzienser
Wie ein schlimmer Wettersturm brauste der Dreißigjährige Krieg über die deutschen Klöster hin. Eine große Zahl sank in Schutt und Asche, die friedlichen Bewohner wurden gemartert und verjagt. Aber eins muss man zu ihrem Lob sagen: die Heimsuchung traf sie innerlich erstarkt, etwaige böse Nachwehen der sogenannten Reformation waren überwunden und überall herrschte neues religiöses Leben. Und so erblühte im Wettersturm manch stille Blume, deren Duft uns jetzt noch entzückt, wenn einmal der Schutt der Vergessenheit von ihr weggeräumt wird. Pater Petrus Haas ist eine Blume dieser Art. Im Klostergarten zu Schönthal a. d. Jagst in Württemberg hat sie einst geblüht und geduftet. Sein Andenken stand bei seinen Mitbrüdern in hohen Ehren als das eines gottbegnadeten Heiligen, bis die Klosteraufhebung es gänzlich verblassen ließ. Was dem Leser der Legende hier erzählt wird, ist alten Aufzeichnungen entnommen, die ein Mitbruder des heiligmäßigen Mannes gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts veröffentlicht hat.
Petrus war ein Gnadenkind. Schon bevor er am 4. Februar 1608 zu Neustadt a. d. Saale das Licht der Welt erblickte, wollten Nachbarsleute am Bett der Mutter eine Kerze aufflammen gesehen haben. Als dann seine Mutter bei der Geburt in Bedrängnis kam, weihte sie ihre gesegnete Frucht Gott und der seligsten Jungfrau und tat das Versprechen, ihr Söhnlein für den Dienst am Altar zu erziehen. Bald offenbarte der Junge eine leidenschaftliche Liebe zu den Büchern. Man schickte ihn deshalb an das Gymnasium der Jesuiten nach Würzburg. Seine Fortschritte im Studium schrieb er ganz der Hilfe von oben zu. Einmal war sogar trotz seines Fleißes Gefahr, dass er nicht in die nächste Klasse aufsteigen durfte. Da rief er von Herzen zu Maria – und der entscheidende lateinische Prüfungsaufsatz fiel zur Verwunderung aller geradezu glänzend aus. Maria war überhaupt sein ein und alles. Bei den Erscheinungen, die ihm später beim Chorgebet oder allein zuteilwurden, spielte die Vision der seligsten Jungfrau die Hauptrolle. Von den Heiligen hatte er die am liebsten, die eifrige Marienverehrer gewesen waren, so vor allem den heiligen Bernhard, seinen Ordensvater, und den heiligen Aloysius, nach dessen Beispiel er mit dreizehn Jahren im Dom zu Würzburg das Gelübde der Jungfräulichkeit ablegte. Ihn bat Petrus auch besonders um die Berufsgnade und am Fest dieses Heiligen (1625) war es, wo der fromme Jüngling unzweideutig von Gott den Ruf in den Ordensstand vernahm. Ohne Säumen trat er bei den Zisterziensern in Schönthal ein, das, um 1153 gegründet, sich zu einer mächtigen Abtei entwickelt hatte. Am 10. Juli 1626 legte Peter Haas Profess ab. Als er anschließend in der Sakristei zur schmerzhaften Mutter betete: „Dich als Mutter zeige!“, hörte er deutlich die Stimme des Gekreuzigten: „Dich als Sohn erzeige!“ Die folgenden Jahre waren überhaupt reich an außergewöhnlichen Gnaden.
Das Studium der Theologie wurde jäh unterbrochen durch den Einfall der Schweden, die nach der Schlacht bei Leipzig (17. Oktober 1631) sich über das unglückliche Frankenland ergossen. Ein Teil des Konvents verließ auf Anordnung des Abtes Sigismund das Kloster und suchte sich anderswo ein Unterkommen. Frater Petrus, der bereits zum Diakon geweiht war, begab sich mit mehreren Mitbrüdern nach Schwäbisch-Hall. Inzwischen wurde aus Schönthal eine „Kloake der Bosheit“. Die Häretiker nahmen Besitz davon, entweihten die Kirche, warfen die heiligen Hostien den Hühnern als Futter vor und die Reliquien den Hunden auf der Straße. Die zurückgebliebenen Patres wurden aufs schimpflichste behandelt und dann vertrieben. Es dauerte nicht mehr lange, und die Patres, die sich nach Hall geflüchtet hatten, wurden von Bürgern des Städtchens verraten und von schwedischen Offizieren verhaftet, gegen ein Lösegeld aber wieder freigelassen. Von da an begann für Frater Petrus Haas und einen Mitbruder Christoph Haan ein unstetes Wanderleben. Am 6. März 1632 empfingen beide in Eichstätt die Priesterweihe, am 13. April feierten sie in Aldersbach bei Passau ihre Primiz. Dann machten sie sich auf den Weg nach Süden, nach Tirol, in die Schweiz und über den St. Gotthard, wo sie während eines Schneesturms übernachteten, in die Lombardei und hierauf den gleichen Weg wieder zurück. Unter unglaublichen Beschwerden irrten sie von Kloster zu Kloster, bald freundlich bewirtet, bald barsch abgewiesen. Bezeichnend für ihre unbesiegbare Frömmigkeit ist, dass sie auf der ganzen Reise keinen Tag weder das Breviergebet noch die Darbringung des heiligen Messopfers unterließen. Das war mitunter ein großes Opfer. Schließlich fanden die beiden Patres ein Plätzchen als Beichtväter bei den Zisterzienserinnen zu Eschenbach in der Schweiz. Pater Petrus blieb hier, bis er im November 1634 in sein Kloster heimkehren durfte.
Die weiteren Lebensschicksale des ehrwürdigen Dieners Gottes sind schnell erzählt. Im Jahr 1636 wurde der junge Mönch zum Prior und Novizenmeister bestellt. Als Arbeitsfeld war ihm damit in erster Linie der geistliche Garten der Klosterfamilie anvertraut. Acht Jahre wirkte er mit der ganzen Hingabe seiner seeleneifrigen Liebe im Dienst seiner Mitbrüder, bis ein allzu früher Tod seinem Leben ein Ziel setzte. Ein Schlaganfall, der ihn des Gebrauchs seiner Glieder beraubte, war das erste Warnungszeichen. Im Gehorsam gegenüber seinem Abt, seinen einstigen Reisegefährten Christoph Haan, suchte er das Bad in Schwalbach auf, sagte aber vor der Abreise bis auf die Stunde genau sein Hinscheiden voraus. Am 18. Juli 1644 feierte ein Mitbruder im Zimmer des lutherischen Gasthauses, das er in Schwalbach bewohnte, in aller Heimlichkeit die heilige Messe und reichte ihm die heilige Wegzehrung, am nächsten Vormittag hauchte er in den Armen seines Vaters und Abtes seine Seele aus. Die Abteikirche von Eberbach gewährte seiner sterblichen Hülle ein Plätzchen vor dem Altar des geliebten Ordensvaters St. Bernhard. Die Grabschrift lautete: Am 19. Juli 1644 entschlief im Herrn der hochwürdige Pater Petrus Haas, Prior von Schönthal, leuchtend durch Reinheit des Lebens, Gottesfurcht und Eifer für seinen Orden.
„Leuchtend durch Reinheit des Lebens, Gottesfurcht und Eifer für seinen Orden“: In Hinsicht auf Pater Petrus waren diese rühmenden Worte kein leerer Schall. Einige Ergänzungen zum Erzählten aus unserer Quelle bestätigen es. „Über die himmlischen Gunsterweise, die diesem wahrhaft religiösen Diener Gottes zuteilwurden, wird sich niemand wundern, der die Reinheit seines Gewissens, die beständige Richtung seines Geistes auf den Himmel, die flammende Glut seiner Andacht, seine feurigen Begierden, die aus der Tiefe seines reinen Herzens hervorbrechenden Stürme der Liebe zu Jesus, Maria und zum heiligen Bernhard beobachten konnte. . . Dem Fasten und dem Gebet war er in höchstem Maße ergeben. Seine häufigen Geißelungen und sonstigen unzählbaren Abtötungen kennt nur der himmlische Vater. Mit welchem Eifer er an der Wiederherstellung der ursprünglichen Strenge sowohl im ganzen Orden als besonders in der oberdeutschen Kongregation und in Schönthal gearbeitet hat, davon zeugen seine heißen Gebete und vor Gott vergossenen Tränen, seine große Traurigkeit, als nach achtzehnjährigen Bemühungen seine Hoffnung auf eine Erneuerung des Ordens gescheitert war. . . Die kleinsten Verletzungen und Übertretungen der Regel konnte er bitterlich beweinen und scharf rügen. Er zog sich, wie das allen Heiligen so begegnete, deshalb manchen Widerspruch und manche Verfolgung zu. Doch litt er das mit größter Freude. Wurde er doch dadurch gleichförmig seinem Heiland. Mit dem heiligen Bernhard liebte er überhaupt das „Myrrhenbüschlein“ und ging mit der Gottesmutter opferbereiten Herzens den Kreuzweg.“
„Überall hatte er Gottes Gegenwart vor Augen und es war ihm zur zweiten Natur geworden, von den geschaffenen Dingen sofort zum Schöpfer emporgelenkt zu werden. . . Er war von Gott mit mystischer Einsicht begabt, wie das aus seinen Predigten und Aufzeichnungen hervorgeht. In prophetischem Geist sah er vieles voraus, sagte er vieles vorher, offenbarte er manch verborgenes Geheimnis. Die Gabe der Tränen war ihm besonders beim heiligen Messopfer eigen, wo besonders nach der Wandlung und Kommunion die Wallung des Herzens sich in hervorgestoßenen Seufzern und Schluchzen kundgab. Zum Altar trat er nur mit Furcht und Zittern. Sein Gewissen hatte ganz die Natur eines gesunden Auges, das auch das kleinste Stäublein oder Sandkörnlein von Unvollkommenheit nicht ertragen konnte. Eine überlegte lässliche Sünde betrachtete er bei einem Ordensmann als ein Sakrileg und eine Verletzung des Gelübdes der Bekehrung der Sitten. . . So kann man sich nicht wundern, dass Gott in einer Seele, die die kleinste Sünde so verabscheute und floh, auch seinen Gnadentau herniederfallen ließ.“
Das war das Bild des Pater Petrus Haas, wie es im Herzen seiner Mitbrüder nach hundert Jahren noch lebte, es war das Bild eines Heiligen. Sie trachteten deshalb, auch den Leib des ehrwürdigen Dieners Gottes wieder in ihre Mitte zu bekommen. 1720 wurde er von Eberbach nach Schönthal überführt und im Kapitelsaal unter dem Thron des Abtes beigesetzt. Den Novizen aber wurden als heiligstes Vermächtnis des Gottesmannes seine letzten Worte überliefert, die er an alle richtete, welche in Zukunft ins „schöne Thal“ kommen würden:
„Liebet, gehorchet, seid treu bis zum Tode! Lebet wohl, lebet in den Wunden Jesu, an der Brust unserer Mutter Maria, unter dem honigfließenden Schatten des heiligen Bernhard!“
Kloster Schönthal