Im 10. Jahrhundert, da die Herzoge von Bayern auch über das Land Tirol regierten, lebten im Markt Aiblingen in Oberbayern begüterte Edelleute. Einer von ihnen, mit Namen Rathold, fasste den Entschluss allem menschlichen Umgang zu entsagen und als Einsiedler sein Leben nur Gott zu weihen. Er verließ heimlich seiner Eltern und Geschwister Haus, allen Freuden und Gütern der Welt entsagend, und flüchtete sich ins raue Stallental, das einsam und schauerlich ins Kalkgebirge eingewühlt, sich nordwestlich von Stans ausbreitet. Er ließ sich dort in einer Felsengrotte nieder, die von einem gewaltigen Lindenbaum beschattet war, zog später nach Rom und Compostella, um an diesen Wallfahrtsstätten die rechte Einsiedlerweihe zu schöpfen. Von dieser Wallfahrt kehrte er als Priester nach Tirol zurück und brachte ein Bildnis der schmerzhaften Mutter Gottes mit sich, das er zur allgemeinen Verehrung unter der Linde neben seiner Höhle aufstellte, woher die Benennung „Unsere Liebe Frau zur Linde“ sich Herschreibt.
Die geheimnisvolle Nähe der Gottesmutter leuchtete bald mit unzähligen Wundern, alles Volk der Umgebung strömte ins Gebirge zur Gnadenreichen. Kranke an Leib und Seele fanden Genesung und Trost in allen Wehen des irdischen Lebens.
Da Rathold darin den Willen Gottes erkannte, so beschloss er, um den Wallfahrern den Zugang zu dieser Gnadenquelle zu erleichtern, die unzugängliche Felsengrotte zu verlassen und auf einer besser gelegenen Anhöhe eine Kapelle und Einsiedlerbehausung zu bauen. Ratholds Bruder, Ubald mit Namen, und mehrere Edelleute von Freundsberg, Schlitters und Säben schlossen sich fromm gesinnt dem Bauunternehmen an. Man bestimmte die Burghöhe nächst ober dem heutigen Dorf Stans in herrlicher Landschaft zur Stelle des gelobten Gebäudes. Die Bauleute legten Hand ans Werk, aber zu ihrem Nachteil: ein Unfall folgte dem anderen, besonders häufig kamen Verwundungen vor. Die Vögel des Himmels trugen die blutgefärbten Holzabfälle und Splitter auf einen hohen Felsen tiefer ins Tal. Mit Sorgfalt beobachtete man die Richtung ihres Fluges und man fand wirklich auf jenem schroffen Felsen, wo noch das Gotteshaus steht, die davongetragenen Holzabfälle so ordentlich und künstlich übereinandergelegt, dass man den Platz erkannte, wo die Kapelle sollte aufgebaut werden.
Man baute also an diesem angedeuteten Ort Kapelle und Zelle, und so entstand die Kirche der schmerzhaften Jungfrau auf Georgenberg mit des Einsiedlers Rathold Behausung. Doch nicht lange blieb er allein. Edeljünglinge, von seinem Beispiel angezogen, wurden seine Schüler. Der Verein wuchs in gesonderten Zellen um die Gnadenstätte der Lindenjungfrau zu einer Klausnergemeinde unter Ratholds Leitung und Aufsicht, von Rom aus mit einer Reliquie des heiligen Georg, von freigebigen Edelherren mit Gut und Gabe beschenkt, durch reichliche Opfer der von weiten Gegenden zusammenströmenden Pilger unterhalten. Auf diese Weise erweiterte sich der Verein auch nach Ratholds Tod ungemein und reifte zu einem geschlossenen Kloster heran. Im Jahr 1125 bestieg Regimbert, früher selbst Benediktinermönch, den bischöflichen Stuhl von Brixen. Er verband die Einsiedler vom Georgenberg durch die Regel des heiligen Benedikt zu einer geregelten Gemeinde, und bestellte den Abt Eberhard zum Vorstand. Die erwähnten Mönche bewohnten Georgenberg bis zum Jahr 1705. Im Jahr 1706 wurde das Kloster nach Viecht übergesetzt, wo ein jetzt in herrlicher Blüte stehendes Kloster erbaut wurde. Das ebenfalls nach Viecht übertragene Gnadenbild wurde, da der Zug der Wallfahrer nach Georgenberg nicht abnahm, wieder nach St. Georgenberg getragen.
Neben der eigentlichen Gnadenkapelle der schmerzhaften Mutter Gottes befindet sich auf dem Altar der ehemaligen Klosterkirche das heilige Blut in einem gläsernen Zylinder. Im Jahr 1310 nämlich zweifelte ein dort Messe lesender Priester vor dem Genuss des heiligen Blutes, ob im Kelch bloß Wein oder das Blut Christi sei. Da wallte das Blut wie siedend im Kelch auf und floss über auf das Altartuch, strafend den verwirrten Zweifler. Ein Teil von ihm wurde bis auf den heutigen Tag aufbewahrt.
Noch immer wallen fromme Gläubige scharenweise zur Himmelsmutter auf St. Georgenberg und finden dort immer Trost und Linderung und Hilfe.