Dieser Heilige war der natürliche Sohn des Karl Martel und Bruder des Königs Pipin und des seligen Carlmann, der sich in Italien dem stillen Klosterleben weihte. Er wurde im Palast seines Vaters erzogen, wo er die Erlernung der Wissenschaften durch Übung christlicher Tugenden heiligte. Wachen, Fasten und andere strenge Bußübungen waren die Mittel, die er anwandte, um das Fleisch dem Geist zu unterwerfen. Alles, worüber er zu verfügen hatte, teilte er unter die Armen, und schränkte soviel wie möglich die Ausgaben für seine Tafel, Kleidung und sein Gefolge ein. Hierdurch gewann er desto mehr Mittel, Almosen zu spenden, und lebte in jener Prunklosigkeit, die dem geistlichen Stand so gut ansteht, den er auch einzig in der Absicht gewählt hatte, sich dem Dienst Gottes gänzlich zu weihen. Das Gebet, die Betrachtung der Heiligen Schrift, und die Erlernung der geistlichen Wissenschaften, beschäftigten ihn Tag und Nacht. Seine Tugend leuchtete so herrlich aus seinem stillen Wirkungskreis hervor, dass ihn jeder der ersten Stellen im Haus des Herrn würdig hielt.
Da der Bischof Remfrid, der wegen eines allzu weltlichen Lebenswandels und Verschwendung der Güter seiner Kirche angeklagt worden war, sich auf ein Landgut, das er an der Seine hatte, zurückzog, und dort kurze Zeit später starb, warf sowohl die Geistlichkeit als das Volk ihre Blicke auf Remigius, den sie dieses hohen Amtes würdig hielten. Sie schickten daher eine Gesandtschaft an den König Pipin, um von ihm seinen Bruder zum Bischof zu begehren. Der Fürst willigte ein, und der Heilige musste, ungeachtet seines Entschlusses, in stiller Zurückgezogenheit zu leben, eine Bürde auf sich nehmen, die er allzeit gefürchtet hatte. Gott erteilte ihm aber die Gnade, dass er alle Pflichten des bischöflichen Amtes auf das Vollkommenste erfüllte. Der Gesang beim öffentlichen Gottesdienst schien ihm ein seiner ganzen Sorge würdiger Gegenstand. Deshalb führte er auch statt des im Land üblichen Gesanges, der ihm nicht geregelt und würdevoll genug schien, den römischen oder gregorianischen ein. Und um seine Absicht vollkommen zu erreichen, schickte er Mönche nach Rom, damit sie da in der Schule des kirchlichen Gesangs geübt würden. Der gute Erfolg, der sich in der Kirche dieses Bischofs bewährte, bewog später Karl den Großen, den römischen Ritus in der ganzen gallikanischen Kirche einzuführen. Wir wissen sonst keine besonderen Züge aus dem Leben des heiligen Remigius, als dass er 765 dem Konzil, das im Schloss Attigni-sur-l`Aisne gehalten wurde, und wo Chrodegang von Metz den Vorsitz hatte, beiwohnte. (Von diesem Konzil wissen wir nichts, als dass die Bischöfe und Äbte sich wechselseitig versprachen, wenn einer von ihnen sterbe, hundert Psalter für ihn abzubeten, und hundert Hochämter durch die Priester halten zu lassen, und dass jeder Bischof selbst dreißig Hochämter halten wird.) Er starb am 19. Januar 771, und wurde in seiner Kathedralkirche begraben. Allein sein Leib wurde in der Folge unter Ludwig dem Frommen nach St. Medard von Soissons gebracht. Im Jahr 1090 versetzte man den größten Teil seiner Reliquien in die Abtei von St. Quen zu Rouen, wo das Kästchen, in dem sie enthalten waren, 1562 von den Hugenotten geraubt wurde. Das Fest des heiligen Remigius wird zu Rouen und in anderen Kirchen am 19. Januar gefeiert, ohne dass jedoch sein Name im römischen Martyrologium verzeichnet ist.
Kathedrale in Rouen