Heiliger Robert von Molesme, Abt und Stifter des Zisterzienserordens, + 29.4.1110 – Fest: 29. April

 

Der heilige Robert erblickte das Licht der Welt in Champagne um das Jahr 1024. Theodorich sein Vater und Ermegardis seine Mutter waren noch ausgezeichneter durch den Glanz ihrer Tugenden als durch den Adel ihres Stammes. Er wuchs unter ihren Augen empor in der Erlernung der Wissenschaft und in den Grundsätzen der christlichen Frömmigkeit. Von seinen ersten Jahren an bewies er ein heißes Verlangen, sich ganz allein dem Dienst Gottes zu widmen.

 

In seinem fünfzehnten Lebensjahr verließ er die Welt und ging in die Benediktinerabtei Montier-la-Celle bei Troyes, in der französischen Provinz Champagne. Überaus schnell waren da seine Fortschritte in der Vollkommenheit. In kurzer Zeit wurde er das Vorbild und die Bewunderung der ganzen Genossenschaft. Die Mönche wählten ihn, seiner Jugend ungeachtet, zum Prior, und hatten in der Folge alle Ursache, sich dieser Wahl zu freuen.

 

Einige Jahre später wurde er zum Abt von St. Michael von Tonnerre ersehen. Sogleich begann er nach allen Kräften die Ordenszucht wieder herzustellen, die sehr in Verfall geraten war. Allein mit Wehmut musste er sehen, dass eben jene, die ihm zuerst hierzu behilflich hätten sein sollen, ihm entgegenarbeiteten. Bei seinen Ordensbrüdern fand er nur widerspenstige Köpfe und verhärtete Gemüter. Aller Hoffnung entledigt, fasste er den Entschluss, sie zu verlassen.

 

In der Gegend von Tonnerre lag eine Einöde, Colan genannt. Sieben Einsiedler hatte sie schon bezogen, um da in den Übungen der Beschaulichkeit und Buße zu leben: sie hatten aber noch kein Haupt und keinen Führer. Da sie von der hohen Tugend Roberts Kunde bekamen, baten sie ihn dringend, auf ihrer mühevollen Bah ihr Geleitsmann zu werden. Mehrere Hindernisse standen aber noch im Weg, dass er ihrem Gesuch nicht willfahren konnte. Endlich wurden jedoch diese Hindernisse behoben und Robert willigte in die wiederholten Bitten der frommen Einsiedler ein. Sie empfingen ihn wie einen anderen Moses, der sie durch die Wüste dieses Lebens in das wahre Land der Verheißung führen sollte.

 

Da die Einöde Colan sehr ungesund war, zog Robert mit seinen Jüngern in den Forst Molesme, wo sie mit Baumstämmen und Ästen kleine Zellen errichteten und ein Bethaus erbauten, das sie 1075 der allerheiligsten Dreieinigkeit weihten. Nach allen Seiten hin erscholl der Ruf ihrer Heiligkeit und Bußstrenge. Ihre Armut war so groß, dass sie oft der nötigsten Lebensbedürfnisse entbehrten. Mehrere fromme Seelen in der Umgebung, angetrieben durch das Beispiel des Bischofs von Troyes, versahen sie dann mit angemessenem Lebensunterhalt, und die Spenden, die sie erhielten, waren so beträchtlich, dass sie bald einen Überfluss hatten, der allmählich eine Erschlaffung erzeugte. Der heilige Abt versuchte umsonst die Fortschritte des Übels zu hemmen. Man nahm keine Rücksicht auf seine Vorstellungen und der Verfall des Guten wurde von Tag zu Tag sichtbarer. (Einige Schriftsteller haben mit besonderer Lust die Unordnungen der Mönche von Molesme vergrößert. Aber ihre Vergehen bestanden bloß darin, dass sie die Handarbeit aufgaben, von den Gläubigen milde Gaben annahmen und gegen den Willen ihres Abtes Neuerungen in Betreff ihrer Kleidungen einführten.)

 

Robert verließ daher sein Kloster und ging in die Wüste Hauz zu den dortigen Mönchen, die mit größtem Eifer ihrem Gott dienten. Wie sie ernährte er sich von seiner Handarbeit und widmete seine meiste Zeit dem Gebet und der Betrachtung. Diese guten Ordensmänner wurden durch sein erbauliches Leben gerührt und wählten ihn zu ihrem Vorsteher. Als die Mönche von Molesme die Kunde vernommen hatten, gingen sie in sich und schämten sich, dass sie ihn zum Fortgehen gezwungen hatten. Sie ließen ihm daher durch den Papst und den Bischof von Langres befehlen, wieder zu ihnen zurückzukehren, und versprachen ihm, mit mehr Gehorsam seine Ermahnungen und Weisungen hinfort zu befolgen. Ohne Bedenken kam der Heilige wieder nach Molesme, musste aber bald seinen getanen Schritt bereuen. Man hatte ihn nur aus irdischen Absichten zurückberufen. Daher wurde auch keine Veränderung in den Gewohnheiten und im Verhalten wahrgenommen, wenigstens geraume Zeit hindurch. Doch war das Übel nicht allgemein, wie wir sehen werden.

 

Als einige der Religiosen einsahen, dass sie keineswegs nach der, ihnen jeden Tag im Kapitel abgelesenen, Regel des heiligen Benedikt lebten, drangen sie inständig auf Verbesserung. Sie befanden sich aber in einer sehr misslichen Lage. Denn wie ist es wohl möglich, seine Pflichten getreu zu erfüllen in einer Genossenschaft, die nichts von Verbesserung hören wollte? Sie schütteten daher ihr beklommenes Herz in Gottes Schoß aus und flehten zu ihm um Erkenntnis seines Willens. Dann wandten sie sich an ihren Abt und begehrten von ihm die Erlaubnis, an einen einsamen Ort zu wandern, damit sie da ihren Entschluss ausführen, und das dem Herrn getane Gelübde, ihre Regel in ihrer ganzen Reinheit zu beobachten, erfüllen könnten. Der Heilige willigte in ihre Bitten ein und versprach, sich bald selbst an sie anzuschließen. Er reiste mit sechs Ordensbrüdern nach Lyon zu Hugo, dem dortigen Erzbischof und Legaten des apostolischen Stuhls, legte ihm die Ursache vor, die ihn bewogen, aus seinem Kloster auszutreten, und fand geneigtes Gehör. Der Legat gab ihm nicht nur die Erlaubnis, sondern sogar den Befehl, das Kloster Molesme zu verlassen und in seinem frommen Entschluss, die Regel des heiligen Benedikt nach ihrer ganzen Strenge zu beobachten, unbeweglich zu beharren.

 

Bei der Rückkehr des heiligen Abtes nach Molesme gesellten sich ihm alle eifrigen Ordensmänner zu. Sie traten dann zusammen, einundzwanzig an der Zahl, die Reise an und ließen sich in dem Wald Citeaux, fünf Stunden von Dijon in der Diözese Chalons an der Saône, nieder. Die frommen Einsiedler begannen damit, dass sie ein Gebiet des Landes urbar machten, worauf sie mit Bewilligung des Bischofs Walther von Chalons und des Vicomtes Rainald von Beaune, des Herrn dieses Gebietes, Zellen erbauten. Die neue Anstalt wurde am 21. März 1098, am Tag des heiligen Benedikt, errichtet (21. März bei den Benediktinern und Zisterziensern, allgemein 11. Juli), und von da zählt man auch die Ursprungsjahre des Ordens von Citeaux.

 

Da der Erzbischof von Lyon sah, dass die neuen Einsiedler ohne Unterstützung irgendeiner vielvermögenden Person nicht bestehen könnten, schrieb er für sie an Eudo, den Herzog von Burgund. Dieser Fürst nahm sie unter seinen Schutz, ließ auf seine eigenen Kosten die Klostergebäude aufführen, versah sie lange Zeit hindurch mit dem nötigen Lebensunterhalt und vermittelte ihnen schließlich unveräußerliche und ziemlich beträchtliche Einkünfte. Der Bischof von Chalons erhob das Kloster zu einer Abtei und übergab ihre Leitung dem gottseligen Robert. (Das Kleid, das die ersten Mönche von Molesme trugen, war braunfarbig. Der heilige Alberich, der Nachfolger des heiligen Robert zu Citeaux, führte die weiße Farbe ein. Von jener Zeit an hat der Orden die allerseligste Jungfrau zu seiner Patronin genommen. Kaum waren fünfzig Jahre seit der Stiftung verflossen, als er schon 500 Abteien zählte. Kurz nach dem Jahr 1200 bestanden schon 1800. Die sogenannten Zisterziensernonnen wurden noch vor dem Tod des heiligen Alberich eingeführt. Eines ihrer berühmtesten Klöster war das von Trebnitz in Schlesien. Mehr als 40 polnische Prinzessinnen haben da den Schleier genommen.) Nichts war erbaulicher als der fromme Lebenswandel, den die neuen Bewohner von Citeaux führten: Es wurden da außerordentliche Abtötungen und Bußstrenge ausgeübt, und bald waren die Segnungen des Himmels so sichtbar, dass man sich beim Anblick dieser Ordensmänner in eine andere Welt versetzt glaubte. Vier Stunden widmeten sie an jedem Tag dem Schlaf und vier dem Lob Gottes in Hymnen und glühendem Psalmengesang. In der Frühzeit arbeiteten sie vier Stunden, worauf sie bis zur Non sich dem Lesen zuwandten. Kräuter und Wurzeln waren ihre einzige Nahrung.

 

Im Jahr danach schickten die Mönche von Molesme Gesandte nach Rom, um die Rückkehr ihres Abtes Robert zu erwirken. Als Grund gaben sie vor, sie seien ohne Vorsteher und die Klosterzucht habe seit dessen Austritt sehr abgenommen. Seine Gegenwart alleine könne alles wieder in die vorherige Ordnung zurückführen. Das Heil der Ordensmänner hänge durchaus von der diesbezüglichen Entscheidung des Apostolischen Stuhls ab. Sie gestanden ihr vorheriges Unrecht ein und versprachen, alles zu tun, damit der Heilige keine Ursache mehr hätte, sich in der Folge über sie zu beklagen. Papst Urban II. beauftragte den Erzbischof von Lyon, die Sache beizulegen und den Heiligen nach Molesme zurückzuschicken, wenn wirklich etwas Gutes sich daraus erwarten ließe.

 

Nachdem der Legat alles untersucht hatte, gab er Robert Befehl, in sein erstes Kloster zurückzukehren. Der Heilige war auf der Stelle gehorsam und überreichte seinen Hirtenstab dem Bischof von Chalons, der ihn von allen gegen ihn übernommenen Verbindlichkeiten lossagte. Er wurde daher aufs Neue vom Bischof von Langres zum Abt von Molesme eingesetzt und stand seiner Genossenschaft dann vor bis zu seinem gottseligen Tod, der sich im Jahr 1110 ereignete. (Nach der Chronik von Molesme, wurde der heilige Robert 1018 geboren und starb 1110, woraus hervorgeht, dass er 92 oder 93 Jahre gelebt hat und den heiligen Alberich, der 1109 gestorben ist, überlebt hat.) Da die Wahrheit der an seinem Grab bewirkten Wunder vom Papst Honorius III. anerkannt wurde, nahm er ihn in die Zahl der Heiligen auf.

 

(Die Mönche von Citeaux befolgten die Regel des heiligen Benedikt in ihrer ganzen Strenge. Papst Sixtus IV. gestattete ihnen im Jahr 1475 einige Milderungen. Unter anderem erlaubte er den Obern, vom Abstinenzgebot, das in der Regel sehr streng beobachtet wurde, zu dispensieren.

Von jener Zeit an geschahen bei den Zisterziensern mehrere sehr heilsame Verbesserungen. Unter allen Verbesserungen war keine strenger als die von la Trappe. Ihr Urheber war der berühmte Abbé de Rancé, der im Ruf der Heiligkeit am 26. Oktober 1700 gestorben ist. Wir verdanken ihm mehrere herrliche Schriften, die sich fast durchgehend auf das Klosterleben beziehen. Das Kloster la Trappe befindet sich in der Provinz Perche mitten in den Wäldern. Die Anzahl der Religiosen war immer sehr beträchtlich.

Wenn ein Religiose die Gelübde ablegen will, schreibt er seiner Familie, um allen seinen Gütern zu entsagen. Nach Ablegung der Gelübde, zerbricht er alle Bande mit seinen Freunden und sogar mit seinen Verwandten, und wenn er sich noch an die Welt erinnert, so geschieht es nur, um für sie zu beten. Das Kloster nimmt keine Geschenke an, und doch kann es immer noch beträchtliche Almosen spenden. Wenn der Abt den Tod eines Verwandten eines Religiosen erfährt, befiehlt er ihn in das Gebet der Genossenschaft, aber ohne ihn anzugeben, und bemerkt nur im Allgemeinen, es sei der Vater, die Mutter usw. eines Bruders gestorben. Die Augen halten sie alle niedergeschlagen und blicken nie die Fremden an. Wenn sie bei ihnen vorbeigehen, grüßen sie sie mit tiefer Verbeugung. Unter sich beobachten sie das strengste Stillschweigen. Nur mit ihren Obern reden sie und können nur in ihrem Beisein mit den Fremden sich unterhalten. So teilen sie sich einander ihre Gedanken nur durch Zeichen mit.

Man führt in la Trappe ein wahrhaft englisches Leben. Nichts ist rührender als die beständige Geistessammlung der Genossen bei der Arbeit, im Speisesaal und besonders in der Kirche. Ihrem Eigenwillen sind sie gänzlich abgestorben. Nicht nur ihren Obern sind sie gehorsam, sondern auch dem Letzten aus der Genossenschaft, sobald er nur ein Zeichen gibt.

Ihre Lebensart ist sehr streng: Ihr Trank ist Apfelwein oder Bier. An den Fasttagen essen sie zu ihrem Mittagsmahl ein Stück Schwarzbrot mit gekochten Kräutern, die mit etwas Salz zubereitet sind. Ihre Kollation besteht am Abend aus zwei Unzen trockenen Brotes. An den übrigen Tagen haben sie zum Mittagessen eine Speise aus Kräutern, eine Portion Gemüse oder Wurzeln mit etwas Dessert, das heißt, Rettig, Nüsse oder sonst einige Früchte. Sie essen weder Eier noch Fisch, und Fleischspeisen nur wenn sie krank sind. Milch und Käse werden ihnen zuweilen gestattet. Ihr Nachtessen besteht aus drei Unzen Brot, wozu an großen Festtagen und in der österlichen Zeit auch noch ein wenig Käse und Salat kommt.

Sie leben in gänzlicher Abtötung ihrer Sinne. Die geringsten Fehler werden bei ihnen durch lange Fußfälle gesühnt. Im Winter, wenn sie sich im Wärmezimmer befinden, stehen sie in einiger Entfernung vom Feuer, und treten bald wieder weg. Sie benützen jede Gelegenheit zur Ausübung der Geduld und Demut. Um ihnen diese Tugenden einzuüben, behandelt sie zuweilen der Vorgesetzte dem Schein nach mit Härte, und dies sogar in Krankheiten. Unter ihnen findet man Religiosen von so glühendem Eifer entflammt, und so dürstend nach Leiden, dass sie sich neben den vorgeschriebenen noch freiwilligen Züchtigungen unterziehen. Wenn sie in den letzten Zügen liegen, trägt man sie in die Kirche, wo sie auf Asche liegend die heiligen Sakramente empfangen. Gewöhnlich verbleiben sie i dieser Lage, bis sie den Geist aufgeben. Die Demut ist die Tugend, die die Fremden am meisten an ihnen bewundern. Wenn man die hört, die zu reden die Erlaubnis haben, so wären sie lauter Sünder. Sie lassen nicht ein Wort fallen, das zum Lob ihres Hauses gereichen könnte.

Jeden Tag widmen sie mehrere Stunden der Handarbeit, die darin besteht, dass sie die Erde umgraben, Dünger in den Garten tragen, Heu dörren usw. Das Chorgebet nimmt eine beträchtliche Zeit ein. Sie sind immer beisammen, um so sich einander durch die Kraft des Beispiels zum Guten anzufeuern. Sie schlafen auf gesteppten Strohsäcken. Sie klagen sich öffentlich einander im Kapitel an, und die geringsten Vergehen werden sehr scharf geahndet.

Das wunderbarste von allem ist die sanfte Heiterkeit, die auf dem Antlitz dieser frommen Einsiedler strahlt. Es scheint, ihre Freude nimmt zu nach dem Maß ihrer Bußstrenge. Dies bezeugte der Abbé von Prières, als er sich als Visitator im Jahr 1678 zu la Trappe aufgehalten hatte. Als einige Personen im Jahr 1664 diese Reform zu übertrieben streng fanden, ließ der Abbé von Rancé seine Religiosen zusammenberufen, und befahl ihnen, frei herauszusagen, was sie davon hielten. Einmütig und laut erklärten sie, diese Abtötungen seien noch viel zu gering in Anbetracht ihrer begangenen Sünden, und sie schämten sich über ihren lauen Eifer, der göttlichen Gerechtigkeit Genüge zu leisten. Da ein gewisser Prälat verlangte, man möchte wenigstens in Betreff der Laienbrüder eine Milderung treffen, ließ der Abt sämtliche Brüder 1687 ins Kapitel einberufen, um ihre diesbezüglichen Gedanken von ihnen zu vernehmen. Sie sprachen sich aber so aus, dass jedermann sich überzeugen musste, dass sie ihren Stand liebten und sich bereitfänden, noch neuen Bußübungen sich zu unterziehen.

Die Reform von Sept-Fons ist beinahe dieselbe wie die von la Trappe. Sie geschah im 17. Jahrhundert durch Eustachius von Beaufort. Zum Mittagessen bekamen diese Religiosen zwei Speisen Gemüse oder Wurzeln, anstatt dass denen von la Trappe nur eine gereicht wird. Sie enthalten sich gewisser Gemüse, die als schmackhaft gelten, z.B. Artischocken, Karfiol oder Blumenkohl usw. Der Genuss des Weines war ihnen gestattet, weil es der gewöhnliche Trank des Landes ist.

Wie zu la Trappe beobachteten sie unter sich das strengste Stillschweigen, beschäftigten sich mit Handarbeiten und sagten nichts, was ihnen Achtung bei den Menschen verschaffen konnte. Alles verkündete bei ihnen Armut. Die Liebe zu dieser Tugend zeigte sich sogar an den Kirchenornaten. Unter dem Gebet waren sie so versammelt, dass sie in ihren Chorstühlen ganz unbeweglich schienen. Nichts war erbaulicher als ihr Psalmengesang. Zuweilen – besonders bei der Complet – machten sie in der Hälfte eine Pause, um die durch den Psalmisten ausgedrückten Empfindungen auch in ihren Herzen anzuregen. Man wurde sehr gerührt durch den Anblick der Eingezogenheit, mit der sie sich in den Speisesaal, zur Arbeit usw. begaben. Alle ihre äußeren Handlungen trugen das unverkennbare Gepräge einer zärtlichen Andacht und man sah, dass sie beständig mit Gott vereinigt waren. Kurz, man konnte sie nicht anblicken, ohne dass man einen heftigen Drang zur Frömmigkeit in seiner Seele verspürte.

Es gibt sogenannte Philosophen, die die Bußstrengen von diesen erwähnten frommen Einsiedlern, wie auch die der alten Wüstenbewohner, tadeln. Wozu, sagen sie, all diese Quälereien? Hat uns denn der Schöpfer der Natur Sinne verliehen, von denen wir keinen Gebrauch machen sollen? Hat er uns darum empfänglich gemacht für das Vergnügen, auf dass wir in beständigem Selbstzwang, in ewiger Peinigung, leben? Mag er uns wohl in diesem Zustand steter Kreuzigung mit Freuden sehen?

Wer so vernünftelt, hat ganz gewiss keinen Begriff von dem, was uns Glaube und Vernunft lehren. Wahr ist es, Gott gesellte Vergnügen einigen Handlungen bei, deren Endzweck löblich ist, und die, mit Rücksichtnahme auf unsere Natur, notwendig werden. Demnach ist es wahr, dass es rechtmäßige Vergnügungen gibt, die wir durch eine gottselige Absicht heiligen können: Da wir aber durch die Sünde verdorben sind, und unsere Begierlichkeit sich gegen den Geist oder die Vernunft empört, so sind wir in die Notwendigkeit versetzt, die Andränge unserer Leidenschaften immerfort zu bekämpfen. Ohne dies wäre kein Sieg zu hoffen und die Vernunft würde dann schändlich unter die Herrschaft der Sinnlichkeit herabsinken.

Um uns daher den Sieg über den Feind unseres Heils zu erringen, hat uns Gott die Abtötung anempfohlen. Damit muss man aber eine aufrichtige Demut verbinden, und besonders die innere Abschälung von seinem eigenen Willensdünkel. Nichts hat Jesus Christus so dringend eingeschärft. Er sagt ausdrücklich, man könne nicht zu seiner Jüngerschaft gelangen, wenn man nicht sich selbst gekreuzigt und abgestorben ist. Das Weizenkorn, sagt er, muss sterben im Schoß der Erde, bevor es zur Frucht hinaufzukeimen vermag. Hieraus ergibt sich, dass man die Notwendigkeit der inneren und äußeren Abtötung nicht in Abrede stellen kann, ohne dass man auch zugleich die ganze Einrichtung der christlichen Sittlichkeit umstößt.

Was die außergewöhnliche Strenge etlicher Diener Gottes angeht, so weicht sie von der gewohnten Ordnung ab: Und dazu muss man eine besondere Berufung haben, der zudem sehr gewissenhaft geprüft werden muss, wobei es auch unumgänglich notwendig ist, dass man einen, der Heiligkeit des Standes, den man antreten will, angemessenen Eifer in sich verspürt.

Die Heiligen werden niemals die Tugend nach der Größe ihrer Kreuzigungen bemessen, wie es die Derwische und Brahmanen zu tun pflegen. Sie sehen sie nur als geeignete Mittel an, für ihre Sünden zu büßen und über ihre Leidenschaften den Sieg zu erkämpfen. Sie bilden sich keineswegs ein, dass Gott ein Wohlgefallen daran hat, sie leiden zu sehen, sondern glauben, dass es Gott gerne sieht, wenn sie die Mittel anwenden, die sie von ihren geistigen Krankheiten zu heilen vermögen. So entschließt sich eine zärtlich liebende Mutter, ihrem Kind einen bitteren Trank zu reichen, in der Hoffnung, es werde dadurch seine Gesundheit erlangen.

Will man übrigens weiterhin die Bußstrengen kritisieren, so ist zu bemerken, dass sie geradezu aus Jesu Lehren fließen und dass sie durch das Beispiel der Propheten, des heiligen Johannes des Täufers, des Erlösers selbst, der Apostel und beinahe aller Heiligen der ersten Kirche, bestätigt sind.)