Petrus Damianus, ebenfalls ein Heiliger, hat uns das Leben des heiligen Romuald fünfzehn Jahre nach dessen Tod beschrieben.
Sergius, aus herzoglichem Geblüt, ein ehrgeiziger und rachgieriger Mann, der in Ravenna lebte, forderte einen nahen Verwandten, von dem er sich beleidigt hielt, zum Zweikampf heraus. Die Herausforderung wurde angenommen. Und der junge Romuald, der als Sekundant seines Vaters Sergius bei dem Zweikampf dabei war, sah es, wie sein Vater den Vetter ums Leben brachte. Angst und Entsetzen überfielen ihn, und nur der Entschluss, für den Vater zu büßen, linderte in ihm die Gewissensqual. Da machte er es mit sich selbst aus, dass er für den Vater vierzig Tage in irgendeinem Kloster Bußübungen verrichten wollte, um des Vaters Blutschuld zu sühnen. So begab er sich unmittelbar nach dem Ende des Kampfes in das etwa eine Stunde von Ravenna entfernte Benediktinerkloster des heiligen Apollinars.
Romuald wurde geboren im Jahr 956. Außer dass er in allen ritterlichen Übungen bestens unterrichtet worden ist, sorgte man wenig für seine Erziehung. Im Gegenteil, er wurde durch Beispiel und Umgebung zu allem möglichen Müßiggang und zum sorglosen Genuss aller Freuden der Welt verleitet. Er wusste nichts davon, was es heißt, Verzicht und Bescheidenheit zu üben. Als er im Kloster des heiligen Apollinars dem Ende der vierzigtägigen Bußzeit mit großer Sehnsucht entgegensah, lachte er über die Idee eines Laienbruders, der ihn dazu bewegen wollte, im Kloster zu bleiben, und ihm die Gefahr für seine Seligkeit vor Augen führte, wenn er wieder in die Welt zurückkehren würde. Der Laienbruder sagte dann weiter in seiner frommen Einfalt zu Romuald: „Was würdest du mir geben, wenn ich dir unseren heiligen Apollinaris leibhaftig und lebendig zeigen würde?“ – „Wenn du mir den Heiligen so zu zeigen vermagst“, entgegnete Romuald, „so verspreche ich dir, im Kloster zu bleiben.“ Die darauf folgende Nacht bringen beide nach Verabredung in der Kirche zu. Als die Mitternachtsstunde schlägt, erhellt ein außerordentlicher Glanz die Kirche, und der heilige Bischof Apollinaris erscheint in seinem bischöflichen Ornat von himmlischem Schimmer umgeben, ein Rauchfass in den Händen, womit er alle Altäre beräuchert und danach wieder verschwindet. Romualdus, von diesem Gesicht ganz durchdrungen und erschüttert, wirft sich vor dem Altar der Mutter Gottes auf die Knie und gelobt da, von Stunde an im Kloster zu bleiben und ein Benediktiner zu werden.
Romuald war zwanzig Jahre alt, als er den Ordenshabit annahm. Lange weigerte sich der Abt und das Convent ihn aufzunehmen, aus Furcht vor dem Zorn seines mächtigen und grausamen Vaters. Endlich aber gaben sie seinem standhaften Verlangen nach. Aber nicht lange, so ärgerten sich seine Mitbrüder über seine große Zurückgezogenheit und Strenge. Man hatte von diesem vornehmen, ganz weltlich erzogenen und verweichlichten Jüngling einen so großen Bußeifer, so ungemeine Härte gegen sich selber und eine so besondere Abtötung nicht erwartet. Da Romuald merkte, dass seinetwegen Überdruss und Uneinigkeit in das Kloster kam, verließ er dasselbe und begab sich mit Erlaubnis seiner Oberen in eine Wildnis im venezianischen Gebiet, wo er den heiligen Einsiedler Marius, einen gutmütigen, aber rohen Mann, als seinen geistlichen Vorgesetzten anerkannte. Dieser trug ihm die schwersten und widersinnigsten Arbeiten auf. Täglich musste Romuald mit Marius den ganzen Psalter beten; und wenn er sich dabei im Geringsten etwas vertat, gab Marius seinem Schüler eine derbe Ohrfeige. Dieser hielt es willig aus und ohne die geringste Äußerung von Empfindlichkeit. Nur bat er endlich seinen Meister, er möchte ihm in Zukunft auf das rechte Ohr schlagen, damit er an dem linken das Gehör nicht gänzlich verliere. Jetzt erkannte Marius seine unnötige Strenge und behandelte von nun an seinen Schüler viel nachsichtiger. Zu dieser Zeit kam Urseolus, das Haupt der venezianischen Republik, zu Romuald in die Einöde. Diesen bewegte Romuald, weil er zum Tod seines Vorgängers Candianus viel beigetragen hatte, dass er die Stelle eines Oberhauptes der Republik aus freien Stücken niederlegte. Urseolus verließ mit Gradanus, seinem vertrauten Freund, Venedig. Beide schifften sich mit Romuald und Marius ein und begaben sich nach Katalonien. Im Kloster St. Michael zu Cason angekommen, blieb Urselous mit seinem Gefährten im Kloster unter der Leitung des Abts Quärinus. Romuald und Marius begaben sich in eine nahe Einöde, wohin ihnen viele andere nachfolgten, um dort mit ihnen gemeinschaftlich Gott zu dienen. Romuald gewann den Abt Junianus ebenfalls für seinen Oberen, und wurde von ihm angehalten, die Unterweisung seiner Gefährten auf sich zu nehmen. Er nahm sich vor, nach der Weise und Strenge der alten Einsiedler, deren Leben er fleißig las, in aller Einfalt zu leben. Er fastete immer fort, wachte fast die ganze Nacht hindurch, brachte seine Zeit mit Ermahnen, Unterweisen, mit Handarbeit, Lesen und dem Gebet zu, und hatte sehr viel von den Anfechtungen der höllischen Geister zu leiden.
Als Romuald gehört hatte, dass sein Vater aus Antrieb der göttlichen Gnade sich in ein Kloster begeben hatte, um dort für sein vorheriges Sündenleben zu büßen, wie ihm aber dieses Klosterleben verleidet sei, und er im Sinn habe, in die Welt zurückzukehren, da begibt er sich eilig zurück nach Italien, besucht seinen Vater in dem Kloster, und redete ihm so dringlich ans Herz, dass er doch in seinem Entschluss, Gott im Kloster sein noch übriges Leben zu dienen, weiter bleiben möchte, so dass der Vater einwilligte und auch bald darauf in Gegenwart des Sohnes bußfertig starb.
Sobald nun bekannt war, Romuald sei wieder in sein Vaterland zurückgekehrt, da strömten von allen Seiten Leute hinzu, die verlangten, unter seiner geistlichen Leitung zu stehen, so dass man wegen der großen Anzahl der Novizen einige andere Klöster errichten musste. Romuald stand dem Kloster Bagni vor, nicht weit von Sassia, aber nicht lange. Seine strenge und ernste Aufsicht erbitterte die Mönche so sehr, dass sie ihn sogar aus dem Kloster verstießen. Durchdrungen vom bitteren Schmerz, glaubte sich der Heilige für die geistliche Leitung anderer ganz untauglich, und nahm sich vor, von nun an sich nur seinem eigenen Seelenheil zu widmen. Er begab sich deshalb ganz allein nach Commaglio, von da in die Appeninen und endlich auf die kleine Insel Verra. Kaiser Otto der Dritte und der Erzbischof von Ravenna ließen ihn aufsuchen, und nachdem man ihn endlich gefunden hatte, musste er auf Verlangen der Religiosen neuerdings als Abt das Kloster zu Klassis regieren. Aber auch diesen war seine Regierung zu streng, und sie zwangen den Heiligen, sein Amt wieder niederzulegen. Indessen bekehrten sich auf sein Zureden viele vornehme Herren. Unter diesen der Graf von Alibam, der sich in das Kloster auf dem Berg Cassino begab. Mehrere Adlige folgten seinem Beispiel.
Der Fürsprache des heiligen Romuald hatte Tivoli es zu verdanken, dass diese Stadt der zürnende Kaiser nicht zerstörte. Denn in solchem Ansehen stand der Heilige bei dem Kaiser, dass dieser auf das Geheiß des heiligen Romuald von Rom aus barfuß auf den Berg Gangeno zu St. Michael wallfahrtete, um dadurch öffentlich kund zu tun, wie sehr er bereue, dass er den Senator Creszentius wider das gegebene Versprechen habe hinrichten lassen.
Romuald begab sich nach Pavenzo in Istrien in ein von ihm gestifteten Kloster, und blieb da drei ganze Jahre von allem Umgang mit der Welt entfernt; er hatte sich selber eingesperrt.
Hier nahm er durch Gebet und Betrachtung göttlicher Dinge in der Vollkommenheit des innerlichen geistlichen Lebens zu. Gott schloss ihm den Verstand der heiligen Schrift in schwierigen Stellen auf, und erteilte ihm die Gabe der Weissagung, so wie auch die Gabe einer so reumütigen Zerknirschung bei dem Andenken an die Sünden seiner Jugendjahre, dass er sich nicht mehr traute, öffentlich Messe zu lesen, weil ihm so leicht dabei ein lautes Schluchzen und Weinen ankam. Man hörte ihn wohl hundertmal den Tag hindurch laut seufzen und aufschreien im Übermaß der göttlichen Liebe, von der er durchdrungen war: „O mein süßer Jesus! O Gott meines Herzens! O mein liebster Heiland! Freund der Auserwählten! Du Trost der reinen Seelen! Süßester Jesus! Du einziges Ziel all meines Wünschens und Verlangens!“ – Nach den drei Jahren wurde er neuerdings genötigt, zu Arvinto ein Kloster zu stiften. Dort hörte er von dem Martertod seines Jüngers, des Heidenapostels Bonifatius; und nun machte er sich, versehen mit päpstlicher Vollmacht, voll hitzigen Verlangens sogleich auf nach dem Ungerland, um dort ebenso wie Bonifatius für seinen lieben Gott und Heiland sein Blut zu vergießen. Auf dem Weg wurde Romuald so sehr krank, dass er seine Reise beenden musste. Er musste zurückkehren, gedrängt von dem überall herbeiströmenden Volk, das ihn sehen und Gottes Wort von ihm hören wollte. Von allerhand Leiden gedrängt begab er sich in ein Kloster auf dem Berg Sykia, lebte da vier Monate in strenger Buße und schrieb eine Auslegung über die Psalmen. Die Handschrift des Heiligen wird jetzt noch in Kamaldoli aufbewahrt.
Damals geschah ihm Folgendes: In einem wilden unbesuchten Bergtal in den Appeninen im Florentinischen Gebiet schläft der heilige Romuald, als er den Berg Sykia verlassen, ermüdet von der beschwerlichen Reise. Außer dem Rauschen eines Waldbaches, an dessen Saum er eingeschlafen war, schweigt alles weit in der großen Wildnis um ihn her. Da werden dem Schwerbekümmerten die Augen des Geistes aufgetan, und er sieht, wie einst der Patriarch Jakob, der mit schwerem Herzen das Haus seiner Eltern verlassen hatte, eine Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reichte. Die Leiter hinauf stiegen seine Jünger in weißen Kleidern. Romuald erwacht, eröffnet seinen Jüngern das Gesicht, gibt ihnen eine weiße Kleidung und stiftet nach dem Namen des Ortes Kamaldoli, wo er die Erscheinung hatte, den Kamalduenser-Orden.
Von Arbeiten und hohem Alter gebeugt begab sich Romuald in das Kloster zu Val de Castro. Da baute er sich eine eigene Zelle samt einer Kapelle, und bereitete sich auf seinen Tod vor, dessen Stunde er, von Gott erleuchtet, voraus sah. Obschon seine Schwäche zunahm, ließ er doch von seinen bisherigen strengen Bußübungen nicht ab, schlief auf bloßer Erde, und schickte, so viel er konnte, die Krankenwärter und alle, die ihm Erleichterung verschaffen wollten, von sich weg. Da dachte er bisweilen an sein voriges Leben zurück und wie wunderbar ihn der barmherzige Gott zu sich gezogen und geleitet habe; und wie er zur Zeit, da er noch ganz der Begierde dieser Welt diente und von Christentum und Religion wenig oder nichts kannte, wenn er während der Jagd sich in großen Wüsten und Wäldern verlor, eine unbeschreibliche, unerklärbare Sehnsucht in sich verspürte, in diesen wüsten Wäldern, entfernt von allen Menschen, sein Leben zuzubringen.
Am letzten Tag seines Lebens schickte Romuald die zwei Ordensbrüder, die gerade für ihn sorgten, von sich, und verlangte von ihnen, dass sie am morgigen Tag zurückkehren sollten. Diese aber wollten den heiligen Vater nicht beleidigen und doch den Kranken nicht in seiner Not verlassen. Sie blieben darum außerhalb der Zelle lauschend stehen und hörten, wie er durch Gebet und Liebesseufzer sich mit Gott eifrig unterhielt. Auf einmal wurde alles still, die Mönche eilten hinein und fanden den Heiligen soeben verschieden.
Der heilige Petrus Damian, der wie Romualdus aus Ravenna gebürtig war und ihn kannte und fünfzehn Jahre nach dessen Tod sein Leben beschrieb, sagt, dass der heilige Romuald hundertundzwanzig Jahre alt geworden sei. Er verschied am neunzehnten Heumonat 1032. Da aber auf den Tag das Fest der heiligen Martyrer Gervasius und Protasius trifft, wurde das festliche Andenken des heiligen Romuald vom Papst Clemens VIII. auf den siebten Februar versetzt, an dem Tag sein heiliger Leichnam im Jahr 1466 noch ganz unversehrt gefunden und zur Verehrung auf den Altar erhoben wurde.