Der Kaiser Diokletian hatte allen Gläubigen unter Todesstrafe befohlen, die heiligen Schriften zum Verbrennen herauszugeben. Und da die Christen diesem Befehl nicht gehorchten, begann eine grausame Verfolgung, wodurch ein ganzes Jahr hindurch Afrika mit dem Blut der Bekenner Jesu gefärbt wurde. Es gab zwar auch ängstliche Leute, die, um ihr Leben zu retten, der ungerechten Forderung gehorchten. Die große Mehrzahl der Christen wollte aber lieber sterben, als bei der Vernichtung der heiligen Bücher mitzuwirken. Abitine, eine Stadt der proconsularischen Provinz Afrika, war einer der Hauptschauplätze im Krieg gegen die Christen.
Als Saturnin, Priester dieser Stadt, an einem Sonntag die göttlichen Geheimnisse im Haus des Octavius Felix feierte, eilte die Stadtobrigkeit mit einem Haufen Soldaten herbei und nahm neunundvierzig Christen beiderlei Geschlechts gefangen. Die Vornehmsten dieser Versammlung waren Saturnin mit seinen vier Kindern, der jüngere Saturnin und Felix, beide Vorleser, Maria, eine gottgeweihte Jungfrau, und Hilarion, der noch ein Kind war. Dann der Senator Dativ, Ampelius, Rogatian und Victoria. Dativ, die Zierde des Rates von Abitine, ging an der Spitze dieser geheiligten Schar. Saturnin, von einer gottgeweihten Familie umgeben, ging an dessen Seite. Alle übrigen folgten stillschweigend nach.
Vor den Richter bekannten sie Jesus mit einer solchen edlen Unerschrockenheit, dass selbst diese ihren Mut bewunderten. Auf solche Weise machten sie einigermaßen das Verbrechen ihres Bischofs Fundan wieder gut, der an demselben Ort feige die heiligen Bücher auslieferte. Doch da schon hatte der Himmel augenscheinlich unsere heiligen Urkunden verherrlicht, denn als Fundan sie ins Feuer warf, fiel aus heiterer Luft ein so starker Regen, dass er das Feuer auslöschte, worauf ein Hagel folgte, der alle Felder der Umgegend zerstörte.
Die Bekenner wurden nun gefesselt nach Carthago abgeführt, zum Sitz des Proconsuls. Unterwegs sangen sie voller Freude Loblieder dem Herrn und dankten ihm, dass er sie gewürdigt habe, für den Namen Jesu gefangen zu sein. Der Proconsul begann das Verhör mit Dativ, indem er ihn fragte, wessen Standes er sei, und ob er der Christenversammlung beigewohnt habe. „Ich bin ein Christ“, antwortete Dativ, „und habe den Versammlungen beigewohnt.“ Nach mehreren anderen Fragen, deren Beantwortung der Proconsul jedoch nicht abwartete, ließ er ihn auf die Folter spannen und mit eisernen Krallen zerfleischen. Zu dieser schmerzvollen Marter verurteilte er auch die meisten der übrigen Bekenner. Alle erduldeten aber auch diese Peinigung mit unüberwindlicher Geduld. Selbst die Verschiedenheit des Geschlechts ließ keinen Unterschied des Mutes wahrnehmen. Vor allen glänzte Victoria. Sie hatte das Glück, von Jugend auf die Wahrheit zu kennen, und aus Liebe zu ihrem jungfräulichen Stand hatte sie einer sehr vorteilhaften Verbindung entsagt. Ihre ganze Begierde ging dahin, die Märtyrerkrone mit der jungfräulichen Reinigkeit zu vereinen. Da sie von edler Geburt war und die Schwester Fortunatians, eines eifrigen Verteidigers des Heidentums, bot der Proconsul alles auf, sie vom Christentum abwendig zu machen. Er fragte sie zuerst um ihre Religion, worauf sie ihm mutig antwortete: „Ich bin eine Christin.“ Fortunatian wollte sie durch vorgebliche Verrücktheit entschuldigen. Allein Victoria, die nichts mehr fürchtete, als die Gelegenheit zu verlieren, ihr Blut für Jesus Christus zu vergießen, zeigte durch die Weisheit ihrer Reden, dass sie vollkommen bei Verstand sei, und frei und aus erkannter Ursache das Christentum angenommen habe. Der Proconsul fragte sie dann, ob sie mit ihrem Bruder zurückkehren wolle, worauf sie erwiderte: „Ich kann dies nicht, weil ich eine Christin bin und keine anderen Brüder anerkenne, als die Gottes Gesetz halten.“ Der Richter bat sie nun mit den schmeichelhaftesten Worten, doch Mitleid mit sich selbst zu haben und ihr Leben zu erhalten, erhielt aber nichts anderes zur Antwort als: „Ich habe dir es ja schon gesagt, dass ich eine Christin bin und der Versammlung beigewohnt habe.“ Der Proconsul aufgebracht, dass er sich überwunden sehen musste, ließ sie mit den anderen in das Gefängnis führen, bis er gegen alle kurze Zeit nachher das Todesurteil fällte.
An Hilarion, dem jüngsten Kind Saturnins machte der Proconsul den letzten Versuch, in der Hoffnung, die Schwäche des kindlichen Alters werde da den gewünschten Sieg erleichtern. Bald aber sah er seinen Irrtum ein. Das heilige Kind, erhaben über alle Furcht, antwortete ihm: „Ich bin ein Christ, ich habe der Versammlung beigewohnt, und dieses aus freiem Willen und ohne Zwang.“ Der Proconsul, der nicht wusste, dass Gott selbst in seinen Märtyrern jene Heldentaten wirkt, drohte ihm mit kleinen Kinderstrafen. Allein der Kleine lachte darüber. Und da er ihn mit den Worten schrecken wollte: „Ich werde dir die Nase und Ohren abschneiden lassen,“ entgegnete Hilarion: „Das kannst du, ich bin aber ein Christ.“ Der Proconsul verbiss seinen Ärger und seine Beschämung und ließ das Kind in das Gefängnis zurückführen. Und dieses Kind sagte beim Weggehen: „Herr! Ich danke dir.“
Alle diese edelmütigen Kämpfer Jesu Christi starben in dem Gefängnis an den erlittenen Martern. Ihre Namen stehen an diesem Tag in den alten Martyrologien.
Wie groß war doch der Eifer der ersten Christen, den Tag des Herrn würdig zu begehen. Auf die Frage des Richters, warum sie trotz des kaiserlichen Verbotes sich versammeln, sagten sie sogar auf der Folter: „Dies geschieht, weil die Feier des Sonntags bei uns eine unerlässliche Pflicht ist.“ Wir erfüllen diese Pflicht, so oft es uns immer möglich ist. „Niemals fehlen wir in der Versammlung. Wir halten Gottes Gebote, sollte uns unsere Treue auch das Leben kosten.“ Dem heiligen Opfer, dem Religionsunterricht und den gemeinschaftlichen Andachtsübungen beiwohnen, hielten die wahren Christen zu allen Zeiten für eine ihrer heiligsten Pflichten. Es ist immer ein Beweis von tief gesunkener Religiosität, wenn die dem Herrn geheiligten Tage durch leichtfertiges Arbeiten, trägen Müßiggang oder Belustigungen entweiht werden. Der Mensch verwildert, wenn er Gott aus den Augen verliert.
Wie tief werden viele der heutigen Christen von ihren ersten Glaubensgeschwistern beschämt! Diesen war die Feier des hl. Opfers und der hl. Kommunion so wichtig, dass sie diese Feier, wenigstens am Sonntag, nicht unterließen, wenn dabei auch ihr Leben in Gefahr kam. Heute aber versäumen viele Menschen wegen geringster Hindernisse den sonntäglichen Gottesdienst. Die ersten Christen durften mit Zuversicht sagen: „Wir haben die heiligen Bücher in unseren Herzen.“ Aber wie vielen der heutigen Christen ist der christliche Glauben eine so gleichgültige Sache, dass sie sich um alles eher als um ihn kümmern? Mit welcher Scham werden sie neben jenen vor dem Gericht Gottes stehen!