Stephen von Châtillon
Bishop of Dié
Preaching to the People
Vicente Carducho (1576-1638)
Museo Nacional del Prado
Stephan, aus dem Geschlecht der Edlen von Châtillon, wurde geboren zu Lyon in Frankreich im Jahr 1155. Frühzeitig – man kann sagen, schon in der Wiege – gab er Zeichen seiner künftigen Heiligkeit. Da der Apfel nicht weit vom Stamm zu fallen pflegt, ist das hinwiederum ein Lichtstrahl, der auf seine Eltern zurückfällt. Mit der Liebe zu Vater und Mutter entwickelte sich in ihm die Liebe zum Gekreuzigten. Und mit dem mütterlichen Kuss lernte er zugleich das Bild des Gekreuzigten küssen. Was aber noch wunderbarer ist: auf den Armen der Amme übte er schon – wenn auch unbewusst – heldenmütige Abtötung, indem er sich beharrlich weigerte an Freitagen die Milch zu nehmen. Dass bei solchen Anlagen die frommen Eltern mit besonderer Sorgfalt seine Erziehung leiteten, ist selbstverständlich. Wie oft mögen sie, gleich den Verwandten Johannes des Täufers, sich gefragt haben: Was wird wohl aus diesem Kind werden?
Stephan war bereits 26 Jahre alt, als er selbst die Antwort auf diese Frage gab. Er folgte dem heiligen Johannes und ging, wenn auch nicht in die Wüste, so doch in die Einsamkeit, in das Kartäuserkloster Portes. Dieses Kloster, das dem Orden so viele heiligmäßige Oberen, der Kirche so manche heilige Bischöfe geschenkt hat, sollte auch für ihn die Schule sein, in der er sich vorbereiten konnte, um sich tüchtig zu machen zu dem Amt, das Gott ihm auferlegen wollte. Was er in der Wiege begonnen hatte, setzte er hier fort. Von seinen Bußwerken wissen seine Lebensbeschreiber nicht genug zu erzählen. Er ging darin so weit, als die Ordensregel und die Oberen es nur gestatteten. Seine Liebe zum Gekreuzigten, die er sozusagen mit der Muttermilch eingesogen hatte, konnte er in der Einsamkeit bei beharrlichem Gebet nur mit jedem Tag zunehmen und zugleich mit dieser wuchs seine Liebe zum allerheiligsten Altarsakrament. Das heilige Messopfer konnte er nicht darbringen ohne reichliche Tränen zu vergießen. Seine Dankbarkeit für das Glück der Vereinigung mit Jesus im heiligsten Sakrament war so groß, dass er die eine Hälfte des Tages auf die Vorbereitung, die andere Hälfte auf die Danksagung für die heilige Kommunion verwandte. Nicht selten geschah es, dass ihm bei seinen Betrachtungen ein Engel – wohl sein Schutzengel – in sichtbarer Gestalt zur Seite stand.
Nachdem so der Heilige viele Jahre im Kloster verbracht hatte, von Tugend zu Tugend schreitend, wurde er nach dem Tod seines Priors von der ganzen Gemeinde einstimmig zum Nachfolger erwählt. Das sollte aber nur die Vorstufe sein zu einer noch höheren Würde. Die Weisheit und der Eifer, mit denen er seines Amtes waltete, wurden weithin bekannt und drangen selbst bis zu den Ohren des Papstes. Als daher im Jahr 1202 der Bischofssitz von Die frei geworden war und die vereinigten Kanoniker einstimmig den Prior von Portes zum Bischof wählten, äußerte der Papst seine lebhafte Freude über die glückliche Wahl.
Wie so manche seiner Ordensgenossen musste nun Stephan seine liebgewonnene Zelle verlassen, denn auch sein Ordensgeneral ließ sich durch seine Bitten nicht erweichen, sondern befahl ihm im Gehorsam dem Ruf zu folgen. So wurde er denn 1202 zu Vienne unter Mitwirkung von drei Erzbischöfen zum Bischof von Die konsekriert. Das ihm anvertraute Bistum war nun keineswegs eine Musterdiözese zu nennen. Sonntagsheiligung kannte man nicht mehr. Tanz, Spiel, Wirtshausbesuch, Ausschweifung aller Art waren an deren Stelle getreten. Mit Liebe und Milde suchte der gute Hirte von der Kanzel herab seine Herde auf bessere Wege zu bringen, aber vergeblich. Ja, man verhöhnte ihn obendrein. Da verfiel der seeleneifrige Hirte auf ein anderes Mittel. Unter Tränen bat er Gott, er möge doch den armen Menschen in sichtbarer Gestalt zeigen, wem sie so eifrig an Stelle Gottes dienten. Und siehe! Bei der nächsten Predigt erschienen dem versammelten Volk die bösen Geister in sichtbarer Gestalt. Von Schrecken ergriffen, war es bald wie umgewandelt und lebte fortan musterhaft.
So groß wie Stephans Seeleneifer war aber auch seine Liebestätigkeit. Seine Mildtätigkeit kannte keine Grenzen und wo seine Mittel und seine eigene Kraft nicht ausreichten um zu helfen – wie bei Krankheiten und Gebrechen aller Art -, da wusste er durch Gebet und Tränen den lieben Gott so zu bestürmen, dass dieser ihm gleichsam seine Allmacht zur Verfügung stellte. So zahlreich sind die Wunder, die er gewirkt hat, dass man ihn – gleich seinem Zeitgenossen, dem heiligen Antonius von Padua – schlechthin den Wundertäter nennen könnte. Leider waren der Jahre seiner Amtsführung nur wenige. Er starb am 7. September 1208 im Alter von 53 Jahren, nachdem er sechs Jahre den Hirtenstab geführt hatte. Sein Leichnam wurde in der Domkirche beigesetzt.
Wenn Bischof Stephan nun auch nicht mehr sichtbar unter den Seinigen weilte, seine Liebe hatte sie nicht verlassen. Mehr noch als bei Lebzeiten verherrlichte Gott seinen Diener nach dessen Tod. Im Heiligsprechungsgesuch. Das der Erzbischof von Vienne mit noch sieben anderen Bischöfen im Jahr 1261 an den Papst richtete, werden nicht weniger als 64 Wunder ausführlich berichtet und für ihre Echtheit eingestanden. Man weiß nicht, was Papst Gregor IX. antwortete. Sicher ist, dass Stephans Fest seit unvordenklichen Zeiten in der Diözese Die gefeiert wurde. Sein Kult wurde 1904 neuerdings approbiert. 1561 wurde sein Grab schändlicher Weise von den ketzerischen Hugenotten aufgebrochen. Der noch unversehrte Leib des Heiligen war nicht imstande ihnen Ehrfurcht einzuflößen. Er wurde verbrannt. Sein Andenken aber konnten sie nicht vernichten, das war zu tief in die Herzen der Gläubigen eingegraben.
Vergiss nicht, was Gott für dich getan hat! Durch Eifer und Liebe für die Seelen kannst du seine Liebe erwidern. Seeleneifer aber versucht, wo er nur kann, die Beleidigungen Gottes zu Verhindern und durch Wort und Beispiel andere zur Erkenntnis und Liebe Gottes anzuregen.