Selige Stilla von Abenberg, Jungfrau, Kirchenstifterin, + 21.7.1141 ? – Gedenktag: 19. Juli

 

Die selige Stilla stammt aus dem in der Geschichte des Mittelalters vielgerühmten und angesehenen Geschlecht der Grafen von Abenberg, deren Burg heute noch erhalten ist in dem fränkischen Städtchen Abenberg südlich von Nürnberg. Die Abenberger, verwandt mit den Hohenzollern und Wittelsbachern, hatten auch auswärts große Besitzungen wie in Schweinfurt und Berchtesgaden und übten die Schirmvogtei über Bamberg aus. Stilla wurde um das Jahr 1100 geboren. Fromme Eltern müssen an ihrer Wiege gestanden haben. Wir finden Glieder aus ihrer Familie als würdige Angehörige des Bamberger Domkapitels und als Äbte von Heilsbronn. Einer ihrer Brüder ist der heiligmäßige Bischof Konrad I. von Salzburg, der im Investiturstreit entschieden die Rechte der Kirche verteidigte. Graf Wolfram II., ein anderer Bruder, hatte in Abenberg ein Benediktinerkloster errichtet und ausgestattet.

 

Umgeben von Reichtum und Glanz, ging Stillas Streben schon in der Jugendzeit nicht nach irdischer Größe; Gott dienen schien ihr das höchste Lebensglück. Diese glühende Gottesliebe, aber auch die Absicht in anderen diese Liebe zu Gott und den Heiligen zu entfachen, bewog sie, aus eigenen Mitteln auf dem der elterlichen Burg gegenüberliegenden Hügel eine Kirche zu Ehren des heiligen Petrus zu erbauen und reichlich auszustatten. Im Kloster Marienburg, das 1491 von Fürstbischof Wilhelm von Reichenau an der Peterskirche errichtet wurde, zeigt man noch einen kostbaren Kelch, der ein Geschenk der Dienerin Gottes sein soll. Hier an dieser ehrwürdigen Stätte, die der heilige Bischof Otto von Bamberg 1136 feierlich geweiht hatte, weilte Stilla wohl täglich im Gebet und folgte mit Andacht dem heiligen Messopfer.

 

Doch wahre Gottesliebe äußert sich gewöhnlich auch in anderen Formen. So war Stilla auch ein lieber Engel der Armen und Kranken. Das war ihre liebste Beschäftigung: die Hütten der Armen besuchen, Kinder lehren, Kranke pflegen und überhaupt jede Not lindern. Die glänzendste Blüte aber, die aus dem Edelreis der Gottesliebe hervorsprosse, war ihre Tugendliebe, besonders ihre strahlende Keuschheit. Um sie zu schützen, verzichtete sie gerne auf äußere Vergnügungen, ihr Name schon war ein Abbild ihrer schlichten, kindlichen Seele. Wie die alte Legende berichtet, gelobte sie auf den Rat ihres Vetters, des heiligen Otto von Bamberg, in ihrem Heiligtum ewige Keuschheit. Indem sie den Schleier nahm, vermählte sie sich dem himmlischen Bräutigam. So führte sie, wenn auch in der Welt lebend, ein wahrhaft klösterliches Leben im Dienst Gottes. Ihr Plan, neben ihrer Kirche ein Frauenkloster zu errichten, ähnlich wie ihr Bruder ein Männerkloster in Abenberg gegründet hatte, blieb ihr Herzenswunsch, der leider nicht mehr ausgeführt werden konnte. Gott rief seine treue Dienerin zu sich in den Himmel.

 

Stillas heilige Überreste wurden nicht in de Familiengrabstätte der Grafen von Abenberg in Heilsbronn, sondern in ihrem Kirchlein St. Peter bestattet, wo noch immer ihr Grab in hohen Ehren gehalten wird. Bald nach ihrem Tod begann ihre Verehrung. Es bildete sich eine große Wallfahrt an ihr Grab, zumal viele wunderbare Erhörungen bekannt wurden. So wurde St. Stilla gewissermaßen vom Volk seliggesprochen. Diese Verehrung wurde zuerst stillschweigend von der Kirche anerkannt. Bald schon wurde ein Altar zu Ehren Stillas in ihrer Kirche geweiht. Im Jahr 1685 wurde nach dem Brand der alten Kirche in der neuen wieder ein Altar zu ihrer Ehre konsekriert.

 

Trotz vieler widriger Zeitereignisse blieb die Verehrung Stillas in nächster und weiterer Umgebung lebendig. Sie überdauerte die so viel zerstörende kirchliche Umwälzung des sechzehnten Jahrhunderts, die fast die ganze Umgebung Abenbergs vom katholischen Glauben losriss, sie ist durch die Säkularisation von Kirche und Kloster nicht erstorben. Seit 1921 ist auch das halbzerstörte frühere Augustinerinnenkloster Marienburg neben der Stillakirche wieder neu erstanden; stilltätige Franziskanerinnen haben die Wache am Grab der Seligen übernommen. In den Jahren 1893-1897 war bereits durch Bischof Franz Leopold von Eichstätt der Anerkennungsprozess über die seit unvordenklichen Zeiten in der Diözese Eichstätt ununterbrochen geübte Verehrung der seligen Stilla zu einem glücklichen Ende geführt worden. Nach weiteren genauen und langwierigen Untersuchungen fand dieses Urteil auch die Bestätigung des päpstlichen Gerichtes, dem der Heilige Vater Pius XI. am 12. Januar 1927 endgültig die kirchliche Rechtskraft verlieh. Eine große, sehr eindrucksvolle Festfeier zu Ehren der Seligen führte in den Tagen vom 21. bis 24. Juli 1927 gegen 7000 Teilnehmer aus allen Teilen des deutschen Vaterlandes, ja sogar aus Amerika, der Schweiz und aus Rom, nach Abenberg. Einmütig kam die laute Freude zum Durchbruch, dass wieder einmal eine Heilige aus einer urdeutschen Familie die kirchliche Anerkennung gefunden hat; frohe Zuversicht auf die wirksame Fürbitte der stillen jungfräulichen Wohltäterin des Frankengaues ließ aller frommen Verehrer Herzen kräftiger schlagen.

 

Wie ein Stern (= stella), wenn auch nicht erster Größe, aber von frohanmutender Lieblichkeit, leuchtet St. Stilla heute wie vor Jahrhunderten in unvermindertem Glanz. Durch ihre praktische Frömmigkeit und Nächstenliebe ist sie ein strahlendes Vorbild besonders auch für unsere Zeit. Im Hinblick auf eine versuchte Erklärung des Namens Stilla aus unserer heimischen Mundart, wie sie Jakob Gretscher, der große Ingolstädter Theologe, gewandte Sprachkenner und fruchtbare, überaus demütige Schriftsteller aus der Gesellschaft Jesu (+ 1625), und sein etwas jüngerer Ordensgenosse Rader, der Verfasser eines „Heiligen Bayerns“, überliefern, die das Wort Stilla auf die Eingezogenheit und das Stillschweigen der Seligen, „einer beim weiblichen Geschlecht seltene Tugend“, zurückführen, erscheint sie nicht weniger als Beispiel sanftwerbender Frauentugend.

J. Sperber, Stadtpfarrer, Abenberg