Auch dieser englische Martyrer hatte sich der Schar apostolischer Männer angeschlossen, die im Jahr 1580 unter den größten Gefahren nach England überfuhren, um ihre Dienste dem bedrängten katholischen Volk zur Verfügung zu stellen. Dabei geschah es, dass unser Seliger ergriffen wurde und in dieser Gefahr eine so selbstlose Aufrichtigkeit und Gewissenhaftigkeit an den Tag legte, dass er schon um deswillen als ein seltenes Beispiel von peinlichster Redlichkeit Erwähnung verdient. Auch deshalb ist sein endliches Schicksal merkwürdig und erscheint sein Martertod als klare Fügung und Gnade Gottes, weil Cottam gar nicht für die Mission in England bestimmt war und dort auch tatsächlich nicht gewirkt hatte.
Wie so viele andere war Thomas Cottam, aus Lancashire stammend, Oxforder Student. Später leitete er in London eine Grammatikschule, wobei er keinen sehr erbaulichen Lebenswandel führte. Aber Thomas Pound, der ehrwürdige Bekenner, der später fast dreißig Jahre um des Glaubens willen gefangen war, im Kerker in die Gesellschaft Jesu aufgenommen wurde und trotz der Haft recht verdienstlich wirkte, bekehrte Cottam zum katholischen Glauben und führte ihn auf den Weg der Tugend zurück. Dafür war ihm der Selige zeitlebens dankbar. Nachdem er in Douay in Flandern die theologischen Studien gemacht hatte, reiste er nach Rom und erlangte, bereits Diakon, im Jahr 1579 die Aufnahme ins Noviziat der Gesellschaft Jesu. Er wurde von seinen Oberen für die indische Mission bestimmt, nicht für die englische. Aber das Klima von Rom war seiner Gesundheit so nachteilig, dass die Ärzte erklärten, er müsse notwendig in seine Heimat zurück, wenn er gesund werden wolle. Cottam suchte zunächst in Avignon in Frankreich und dann in Reims Heilung. Auf dem Weg dahin heftete sich ein Polizeispion der englischen Regierung an die Fersen des Arglosen, ein gewisser Sledd, der eine genaue Personenbeschreibung Cottams und anderer seiner Regierung senden konnte und später beim Prozess gegen ihn und seine Gefährten auftrat. Nachdem Cottam im Mai 1580 in Soissons zum Priester geweiht worden war, fuhr er im Juni von Dünnkirchen aus nach England über. Seine Begleiter waren Dr. Ely, damals noch Laie und Professor der Rechtswissenschaft, und die Priester Rishton, der selige Kirby und Hart.
Durch den Spion Sledd hatte die Hafenbehörde in Dover genaue Personenbeschreibungen. Darum wurde Johannes Hard bei seiner Landung sofort festgenommen und, da er geständig war, nach London ins Gefängnis geschickt. Auch Cottam war sehr verdächtig. Da aber Dr. Ely unter dem Namen Havard schon oftmals durch Dover gereist war und deshalb bekannt und unverdächtig war, so fragte ihn der Mayor (Bürgermeister) von Dover, ob er den verdächtigen Cottam nach London bringen und dem dortigen Hafengouverneur übergeben wolle. Ely versprach, ihn nach London zu bringen. Sobald sie Dover im Rücken hatten, erklärte er aber seinem Gefährten, es verstehe sich von selbst, dass er ihn nicht als Gefangener, sondern als Reisegefährten nach London bringen wolle und dass es ihm nicht einfalle, ihn den Behörden zu überantworten. Der selige Cottam hatte aber ein sehr zartes Gewissen und fühlte sich durch diese List beunruhigt. Er suchte daher einen heiligmäßigen Gefangenen auf, wie es scheint, den Thomas Pound, der ihn bekehrt hatte, und legte ihm die Frage vor, ob es nicht besser sei, dass er sich stelle, damit Dr. Ely nicht in Gefahr komme. Der Gefragte stimmte dem zu. Sogleich suchte Cottam den Dr. Ely auf und bat ihn um den Brief des Mayors von Dover an den Hafenverwalter. Er wollte sich ihm stellen, da er glaubte, mit gutem Gewissen nicht auf solche Art entschlüpfen zu dürfen. Ely entgegnete: „Der Rat, den man Euch gab, stammt, wie ich gerne gestehe, aus einem eifrigen Herzen. Aber ich zweifle, ob er sich mit der Klugheit verträgt. Ich werde Euch den Brief nicht geben, und Ihr dürft Euch mit gutem Gewissen nicht selbst dem Feind ausliefern, da Ihr so günstige Gelegenheit habt, seiner Grausamkeit zu entgehen.“ Aber der Selige bestand auf seiner Bitte. „Nun gut,“ entschied Ely den merkwürdigen, einem glaubensbegeisterten Martyrer der ersten christlichen Zeit würdigen Streit, „wir wollen zu einem durch Gelehrsamkeit und Tugend hervorragenden Geistlichen gehen. Ist er Eurer Ansicht, so sollt Ihr das Überweisungsschreiben haben und in Gottes Namen gehen.“ Der Geistliche teilte Elys Ansicht und Cottam gab sich zufrieden, ohne jedoch seine volle Gewissensruhe zu finden. Er legte danach noch den Fall dem Pater Persons und Pater Campion vor, die ihn in einer Versammlung von Priestern besprachen. Diese entschieden, da er selbst kein Versprechen gegeben habe, sei er auch zu nichts verpflichtet. Allein der Bürgermeister von Dover erfuhr, dass sein Gefangener nicht abgeliefert worden sei. Er zog deshalb den Gastwirt zur Verantwortung, der sich für Havard (Ely) verbürgt hatte. Eilends suchte der Wirt Dr. Havard auf, um ihn zur Behörde zu führen. Ely bat um Aufschub, stellte einen Bürgen und suchte Cottam auf, ihm eröffnend, dass nun einer von beiden sich als Gefangener stellen müsse. Für beide sei es gleich gefährlich, er wolle aber lieber selbst jede Strafe auf sich nehmen, als seinen Gefährten dazu zwingen. Da erhob der Selige Augen und Hände zum Himmel und sprach: „Jetzt sei Gott gepriesen! Nie in meinem Leben wäre ich mehr ruhig geworden, wenn ich so entkommen wäre. Nur eines fällt mir schwer: ich hätte noch eine Angelegenheit zu erledigen.“ Dazu war noch einige Zeit. Die Vermutung liegt nahe, dass Cottam bei Persons die heiligen Sakramente empfing und in seine Hand die Ordensgelübde ablegte. Noch rechtzeitig stellte er sich dann als Gefangener. Wahrhaftig, ein rührender Beweis der Herzensunschuld, Glaubensseligkeit und Nächstenliebe! Wo ist die Religion, die solche Größe hervorbringt?
Mehrere protestantische Prediger versuchten vorerst umsonst, Cottam zu „bekehren“. Er wurde in strenger Einzelhaft gehalten, um dann am 5. Dezember 1580 zur Folter in den Tower zu wandern. Mehr als die meisten anderen hatte er in den zwei Jahren seiner Gefangenschaft zu leiden.
Unterdessen fiel auch der kluge Campion den Spürhunden der Regierung zum Opfer. Mit ihm hatte Cottam die Ehre, am 14. und 20. November 1581 vor Gericht zu stehen. Beim Verhör wollte er der Königin kein oberstes Recht in kirchlichen Dingen einräumen. Gegen den Vorhalt, dass er gleichzeitig mit den übrigen Priestern nach England gekommen sei, dass also eine Verabredung zu den gleichen Zwecken stattgefunden haben müsse, antwortete der Angeklagte: „Es war weder mein Vorsatz noch mein Auftrag, nach England zu kommen, wenn mich Gott nicht gezwungen hätte. Denn ich war für Indien bestimmt und dorthin wäre ich gesegelt, wenn meine Gesundheit es erlaubt hätte. Inzwischen gefiel es aber Gott, mich mit Krankheit heimzusuchen, und da die Ärzte, die zu Rate gezogen wurden, der Meinung waren, ich müsse nach England und könne weder in Rom noch anderswo am Leben bleiben, so kehrte ich aus diesem Grund und aus keinem anderen in meine Heimat zurück.“ Campion bestätigte diese Anschauung der römischen Ärzte, worauf Cottam in seiner treuherzigen Weise schloss: „Und das war die einzige Veranlassung meines Kommens, nicht aber ein bestimmter Vorsatz, jemand zu bekehren oder zu verkehren, denn wie gesagt, mein Ordensgeneral hatte mich für Indien bestimmt. Auch habe ich mich nach meiner Ankunft hier nicht versteckt oder sonst wie irgendetwas getan, was nicht jeder täte, der keine andere Absicht hat als ich. Meistens wohne ich in Southwark und ging täglich bei St. Paul spazieren. Ich vermied keinen öffentlichen Platz und das beweist doch mein gutes Gewissen.“
Wie kindlich gläubig spricht dieser wahre Jünger des Heilandes von der Führung der göttlichen Vorsehung! Den Willen Gottes sieht er in allem, ihm nur gehorcht er. Nur in England glaubt er sich das Leben erhalten zu können und gerade dieses England, seine Heimat, nimmt ihm das Leben. Zu gewissenhaft, um der Gefahr für sein Leben auszuweichen, wo er noch konnte, verteidigt er jetzt, im Vertrauen auf seine Schuldlosigkeit, sein Recht auf das Leben. Für Katholiken gab es aber freilich damals in England kein Recht. Man konnte ihm weder Hochverrat noch sonst eine verbotene Handlung nachweisen. Er war aber Katholik und verwarf offen die Irrlehre. Das kostete ihm das Leben.
Noch sollte die natürliche Anhänglichkeit ans Leben und die Glaubenstreue des seligen Martyrers auf eine Lange Probe gestellt werden. Sechs volle Monate musste ein Teil der Verurteilten im Tower jeden Tag auf ihre Hinrichtung warten. Kerkerleiden sollten ihren Starkmut brechen. Doch versagte auch dieses Mittel. Endlich legte man ihnen sechs Fragen über die Bulle von Pius V. über die Rechte der Königin und die Macht des Papstes vor. Thomas Cottam erwiderte ganz schlicht: Was die erste und alle übrigen Fragen angehe, so glaube er, was die katholische Kirche – und für diese halte er die römische – lehre, eine andere Antwort gebe er auf diese Fragen nicht.
Am 28. Mai 1582 wurden die seligen Thomas Ford, Johann Shert und Robert Johnson und am 30. Mai die seligen Filby, Lukas Kirby, Lorenz Richardson und Thomas Cottam nach Tyburn geschleift. Dort angekommen, bezeichnete sich unser Seliger mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und rief der Menge zu: „Gott segne euch alle!“ Wirklich sollte Cottam, der nicht die Möglichkeit hatte, durch sein Wort England Segen zu bringen, es wirksamer tun durch das Beispiel demutsvoller Nächstenliebe, beharrlicher Glaubenstreue und rührender Liebe zur Abtötung. Ein Prediger mahnte den Henker, er solle rasch voranmachen. Darauf bemerkte der Martyrer, das gezieme sich doch nicht für einen Geistlichen. Als nun aber der Prediger seine Aufforderung anders erklärte und auch ein Gerichtsdiener für ihn Partei nahm, bat Cottam wegen seiner überflüssigen Bemerkung bescheiden um Verzeihung und sagte dem Gerichtsdiener: „Meister Sheriff, lieber wollt ich von den Hufen Eures Pferdes zerstampft werden, als Euch beleidigen.“ Dann fasste er den Henker am Ärmel und bat: „Möge Gott dir verzeihen und dir gnädig sein, guter Mann, und dich zu seinem treuen Diener machen! Sieh dich um Gottes Willen zeitig vor und bitte um seine Gnade, und er wird dich gewiss erhören. Ich bitte und flehe zu Gott für dich, auf dass du dem Scharfrichter des heiligen Paulus nachfolgst, der sich bekehrte, als Blut auf sein Gewand spritzte.“ Schon hatte Cottam die Schlinge um den Hals, als sie ihm der Sheriff infolge eines „Missverständnisses“ wieder löste. Als man nämlich Cottam die Gnade der Königin anbot, antwortete er: „Tut mit mir, was euch gut scheint.“ Das fasste der Gerichtsdiener als ein Einlenken auf und suchte nun durch alle möglichen guten Worte den Martyrer zum Abfall zu bewegen. Sobald aber Cottam das „Missverständnis“ seiner Widersacher merkte und von dem Preis hörte, um den er sich die Gnade der Königin erkaufen sollte, erklärte er ganz entschieden: „Wenn ich zehntausend Leben hätte, so wollte ich lieber alle verlieren, als den katholischen Glauben auch nur in einem Punkt verleugnen.“ Aber noch sollte seine Standhaftigkeit einer harten Probe unterworfen werden. Man zwang ihn, der entsetzlichen Szene der Vierteilung des seligen Richardson zuzuschauen. „Herr Jesus,“ so betete er wiederholt während der grausigen Blutszene, „erzeige ihnen deine Barmherzigkeit! O Herr, gib mir die Gnade der Standhaftigkeit bis ans Ende! Herr, lass mich ausharren bis ans Ende!“ Einmal wandte er sich auch an den seligen Martyrer mit der Bitte: „Deine Seele möge für mich beten!“ „O Herr,“ rief er am Schluss, „welch ein Schauspiel hast du mich sehen lassen!“ Dann betete er unter anderem: „O Herr, du hast mehr – mehr – mehr für mich gelitten!“ Nochmals bot ihm der Sheriff Begnadigung an, aber unerschüttert lehnte Cottam ab. Er opferte seinen Tod auf für die Rettung der Seele der Königin, er betete für ganz England, dass Gott in Güte seinen gerechten Zorn von seinen Landsleuten abwende und sie zur Buße und Erkenntnis ihrer Sünden rufe.
Als man den Leichnam des Seligen zur Vierteilung herabnahm, fand man ihn in ein Bußkleid von gröbster Sackleinwand eingehüllt, das bis auf die Knie reichte. Die anwesenden Prediger konnten es sich in ihrer niedrigen Gesinnung auch angesichts der blutigen Leiche eines Mannes, der zu den Kerkerleiden und Folterqualen noch freiwillige Leiden auf sich genommen hatte, nicht versagen, darüber ihren Spott auszugießen und ihre Lehre auszukramen. Ausnahmsweise wurden die Leichen der Blutzeugen gleich am Fuß des Galgens begraben. Man scheute sich, wie üblich, die Glieder an den Toren der Stadt auszustellen. Fing doch schon das Volk zu murren an ob der Menge dieser Zeugen englischer „Gerechtigkeit“, die ganz London zu einem Blutfeld machte.
So frevelhaft England gegen die Katholiken gesündigt hat, so hat sich doch da Gebet so vieler Martyrer als segensreich erwiesen. In keinem protestantischen Land ist die Rückkehr zur katholischen Mutterkirche so groß als in England.
Thomas Cottam wurde am 29. Dezember 1886 von Papst Leo XIII. seliggesprochen, sein Fest wird am 1. Dezember gefeiert.