Der heilige Wendelin wird besonders als Patron der Bauern verehrt.
Aus ihm, dem Erstgeborenen des schottischen Königshauses, sollte einmal ein Krieger und Held werden. Er sollte der Krone würdig sein, die auf ihn wartete. So wuchs der Prinz heran, und als er ein junger Mann geworden war, ging er in Rüstung und Waffen und übte das Fechten mit Degen und Speer und wurde ein Kämpfer, hochgewachsen, kraftvoll und stark und gewandt wie der nordische Held Frithjof in den Heldenliedern der alten Saga, von dessen kriegerischem Ruhm ihm die königliche Mutter an der Wiege gesungen hatte.
Niemand ahnte, dass tief in Wendelins Seele die Sehnsucht hockte und klagte nach einem fernen Land, wo er nicht als Fürst in Pracht und Glanz, sondern als schlichter Gefolgsmann und treuer Knappe dem großen König Christus in Armut und Selbsterniedrigung dienen könne. Seit Wendelin gehört hatte, dass der Gottessohn die Herrlichkeit des Himmelreiches freiwillig verlassen, Knechtsgestalt angenommen und sich fern von der ewigen Heimat im Dienst der Armen und Bedrängten bis zum letzten Blutstropfen hingegeben hatte, hielt es den Königssohn nicht mehr daheim in Reichtum und Fülle. Eines Tages machte er sich aus dem Staub und verschwand und ging Christus nach.
Auf Nimmerwiedersehen entfernte sich Wendelin, segelte über das Meer und kam in die Gegend von Trier, wo er sich im tiefen Wald aus Birkenstämmen und Reisig eine Klause baute. Dort lebte und betete und sang er zum Lobpreis Gottes mit den Vögeln um die Wette.
Einmal pilgerte Wendelin aus dem Wald nach Trier zu den Gräbern der Heiligen, und als er unterwegs auf einem Hof um Nahrung bat, schimpfte ihn der Bauer ungeduldig an und sagte, er soll sich schämen, als Faulenzer und Tagedieb durch die Welt zu ziehen und anderen Leuten auf der Tasche zu liegen, anstatt zu arbeiten, was er bei seinen Bärenkräften doch wohl könne. Und wenn er keine Arbeit fände, so könne er gleich auf dem Hof bleiben und das Vieh hüten.
Da sauste dem königlichen Prinzen eine starke Rede scharf um die Ohren. Aber er hielt stand und war mutig genug, den angebotenen Dienst auf der Stelle zu übernehmen. Viele Jahre hütete Wendelin das Vieh, und er war gut zu den Tieren und sorgte für sie und nahm sich besonders der erkrankten Rinder und Schafe an und suchte heilkräftige Kräuter und Wurzeln und half den Tieren. So machte es Wendelin, und so verlangt es auch Gott, der in der Heiligen Schrift allen sagen lässt, dass sich der Gerechte des Viehs erbarmt. Stattlich gedieh da die Herde, und Wendelin stieg bei seinem Herrn hoch in Ansehen und Gunst.
Darüber wurden die faulen Mitknechte des Heiligen neidisch, und sie redeten schlecht über ihn beim Bauern, dass er das Vieh mal zu früh und mal zu spät austreibe und dass er vor lauter Beten, Singen und Kreuzschlagen nicht auf das Vieh achte und es herrenlos weit vom Hof weiden lasse. Und wirklich ertappte der Bauer eines Abends den Hirten mit der Herde meilenweit fern in der Wildnis, und er tadelte den Leichtfertigen und hielt ihm vor, dass er unmöglich vor der Nacht die Tiere heimbringen könne. Da entgegnete Wendelin: „Seid ohne Sorge, Bauer, wenn die Dunkelheit hereinbricht, bin ich daheim.“ So geschah es auch, denn als der Bauer nach scharfem Ritt auf schnellem Pferd im letzten Sonnenstrahl heimkehrte, trieb Wendelin gerade die Schafe in den Stall.
Da erkannten alle voll Staunen, dass ein Heiliger unter ihnen lebte. Der Bauer nahm die harte Rede zurück, mit der er damals den Gottesmann einen Faulenzer und Tagedieb geschimpft hatte, entschuldigte sich bei ihm und ließ für ihn eine Klause bauen, wo Wendelin noch lange Jahre wohnte und betete. Aus den Höfen ringsum kamen die Bauersleute mit dem kranken Vieh, und Wendelin heilte die Tiere mit seinen Kräutern und Wurzeln und mehr noch mit seinem kräftigen Segen. Und das tut er heute noch von seinem Grab aus in der Stadt Sankt Wendel im Saarland, wo er im Jahr 637 starb, unvergessen von allen Bauersleuten, deren Ställe er schirmend schützt.
Der Gerechte erbarmt sich also des Viehs, der Tiere überhaupt. Wer aber ein Tier quält, ist ein gefühlloser Mensch und versündigt sich schwer.
St. Wendelin – Von Pater Hangauer, Puchheim (1915)
St. Wendelin wurde nach der Überlieferung in der Mitte des 6. Jahrhunderts (554) in Schottland oder Irland geboren. Er war der älteste Sohn des Königs Frohardus und der Königin Evelina. Um jene Zeit wurden zahlreiche Söhne vornehmer Eltern jener Länder in den dortigen Klosterschulen erzogen und unterrichtet. Voll heiligem Glaubenseifer begaben sie sich dann über das Meer, um in den verschiedenen Gegenden Deutschlands als Einsiedler Gott zu dienen und das Christentum zu verbreiten. So kam St. Wendelin nach Trier und lebte in der Gegend lange Zeit als armer Hirt. Als solcher kam er auch in die Gegend des heutigen Sankt Wendel, wo damals noch eine große Einöde war. Als seiner Herde einst, wie die Überlieferung berichtet, das Wasser ausging, betete Wendelin voll Vertrauen zu Gott und stieß seinen Hirtenstab in die Erde. Da quoll auf einmal eine starke, klare Quelle hervor; es ist dies der St. Wendels Brunnen, ungefähr 20 Minuten von der Stadt entfernt. Die zahlreich nach St. Wendel kommenden Pilger versäumen es nicht, auch diese durch den hl. Wendelin geheiligte Stätte aufzusuchen und Wasser aus dem Wendelinus-Brunnen zu schöpfen.
Eine Zeitlang hielt der hl. Wendelin sich auch am Hof des berühmten Bischofs Magnerich zu Trier auf und trat dann in das neu gegründete Benediktinerkloster Tholag bei St. Wendel ein, wo er von den Mönchen zum Abt erwählt wurde. Als Missionar konnte der selbstlose Mann erst recht einen großen Seeleneifer bekunden. Er bekehrte viele Heiden der Umgebung. Sein Leben war ein Leben des Gebetes und der Nächstenliebe. Auch als Abt behielt er seine strenge Lebensweise bei und befreite durch Wunderkraft die Viehherden der armen, frommen Landleute von großen Seuchen. Sein heiligmäßiger Tod fällt wahrscheinlich auf den 20. (21.) Oktober 617. Sein Leib wurde in der von ihm lange bewohnten Einsiedlerzelle beigesetzt. Gott verherrlichte sein Grab bald durch zahlreiche Wunder. Das Vertrauen, das die Landbewohner bei seinen Lebzeiten zu ihm gehabt hatten, wuchs infolgedessen nach seinem Tod. Bald entstand über seinem Grab eine Kirche. Der Zudrang zu seinem Grab wuchs von Jahr zu Jahr, so dass um die Kirche die Stadt St. Wendel entstand. An die Stelle der alten Kirche erbauten die Gläubigen zwischen 1300 und 1315 eine prachtvolle gotische Kirche, die heute noch steht. Die Gebeine des hl. Wendelin wurden in einem Holzsarg hinter dem Hochaltar so hoch aufgestellt, dass die Pilger nach alter Sitte unter ihm herziehen können. Der hl. Wendelin besitzt weit und breit ein sehr großes Vertrauen. In früheren Zeiten kamen die Pilger selbst aus Schottland herüber zum Grab des heiligen Königssohnes. Besonders pilgert das Landvolk gerne zum hl. Wendelin, um seine Hilfe gegen Viehkrankheiten anzurufen. Mittwochs nach Pfingsten und am 20. (21.) Oktober sind die Prozessionen fremder Pilger besonders stark. Als im Jahr 1896 die Reliquien feierlich zur Verehrung ausgestellt wurden, kamen über 100.000 Pilger dorthin, um den Schutz des hl. Wendelin zu erbitten. Zahlreiche Kirchen und Kapellen tragen seinen Namen.