Heiliger Wilhelm de Donjeon, Erzbischof von Bourges, Zisterzienser, + 10.1.1209 – Fest: 10. Januar

 

Wilhelm Berrüyer stammte von der adeligen Familie der alten Grafen von Nevers ab. Die Sorge um seine Erziehung wurde seinem mütterlichen Oheim anvertraut, Peter dem Einsiedler, dem Archidiakon von Soissons. Von diesem fertigen Meister lernte er bald die Reichtümer und vergänglichen Ehren der Welt verachten, ihre Vergnügungen verabscheuen, und das Gift fürchten, das unter verführerischer Lockspeise verborgen liegt. Wilhelm entsprach den Absichten seines Oheims auf das Vollkommenste. Nichts umfasste er mit größerer Begierde als die Wissenschaften und die Übungen der Andacht. Deswegen trat er auch in den geistlichen Stand. Er wurde zuerst Chorherr zu Soissons und dann zu Paris. Allein da ihn von Tag zu Tag die Welt immer mehr anekelte, entschloss er sich, sie gänzlich zu verlassen und sich in die Einsamkeit zurückzuziehen. Er wählte zu diesem Zweck die von Grandmont, wo er in den strengsten Bußübungen lebte. Da sich aber ein Zwist unter den Chorherren und den bekehrten Brüdern entspann, der den Frieden störte, den er seither genossen hatte, trat er in den Orden der Zisterzienser, der damals allenthalben den guten Geruch seiner Tugenden verbreitete. In der Abtei von Pontigny legte er feierlich das Ordensgelübde ab, und wurde bald ein vollendetes Muster der klösterlichen Vollkommenheit. Einige Zeit war er Prior dieses Hauses und wurde dann zum Abt von Fontaine-Jean (Im Bistum Sens. Diese Abtei war eine Tochter der von Pontigny. Peter von Courtenay, der Sohn Ludwigs des Dicken, hatte sie 1124 gestiftet.) und bald zum Abt von Châlis erwählt (Bei Senlis. Diese Abtei, die viel zahlreicher war, als die vorige, war ebenfalls eine Tochter von Pontigny. Ludwig der Dicke hatte sie ebenfalls gestiftet 1136 kurz vor seinem Tod.). Weit entfernt seine Würde fühlen zu lassen, sah er sich vielmehr als den letzten der Brüder an. Er lebte in gänzlicher Abtötung seiner Sinne und seiner Neigungen, verdiente aber auch dadurch, eine bewunderungswürdige Herzensreinheit und die Gabe des Gebetes im höchsten Grad von Gott zu erlangen. Mit einer unbegreiflichen Einfalt verband er die höchsten Einsichten. Seine innere Seelenruhe leuchtete aus der Heiterkeit seines Antlitzes hervor; und seiner strengen Lebensweise ungeachtet, verlor er niemals die heilige Freudigkeit, die der Tugend die wunderbarsten Reize gibt.

 

Während unser Heiliger die Freuden der Einsamkeit kostete, starb Heinrich von Sülly, der Erzbischof von Bourges. Da sich die Geistlichkeit über die Wahl seines Nachfolgers nicht einigen konnte, schickte sie Abgeordnete zu Eudo, dem Bischof von Paris, und Bruder des verstorbenen Prälaten, mit der Bitte, nach Bourges zu kommen, und ihnen in einer so wichtigen Angelegenheit hilfreich beizustehen. Eudo fand bei seiner Ankunft, dass man drei Zisterzienseräbte in Vorschlag gebracht hatte, die alle im Ruf der Heiligkeit standen, und unter denen auch Wilhelm war. Er ließ ihre Namen auf drei besondere Blättchen schreiben, und legte sie auf den Altar, auf dem er die heilige Messe feiern sollte. Nach Beendigung des heiligen Opfers betete er zu Gott, dass er seinen Willen offenbaren möge. Dann nahm er das erste Blättchen, das ihm in die Hand fiel, und siehe da, der Himmel fügte es, dass es gerade das Blättchen war, auf dem Wilhelms Name stand, der unter den drei Äbten auch die meisten Stimmen hatte. Diese Wahl geschah am 23. November 1200. Im Allgemeinen heißt es Gott versuchen, wenn man ein Wunder durch das Los begehrt, es müsste denn dies auf besondere göttliche Eingebung geschehen. Allein das Benehmen der Geistlichkeit von Bourges mag nicht wohl getadelt werden, weil ihr einziger Zweck war von Gott zu erlangen, dass er mittelst seiner weisen Vorsehung die Wahl unter den Vorgeschlagenen bestimme, die alle nach den Einsichten menschlicher Klugheit des Oberhirtenamtes gleich würdig waren. So weiß man, dass bei der Wahl des heiligen Matthias, die durch das Los geschah, die Apostel durch besondere Eingebung des Geistes Gottes handelten.

 

Als Wilhelm die Nachricht von seiner Wahl erhielt, wurde er von dem lebhaftesten Schmerz durchdrungen. Und nie würde er seine Einwilligung gegeben haben, wenn ihm das Gelübde des Gehorsams erlaubt hätte, gegen den vereinigten Willen des Papstes und seines Ordensgenerals zu handeln. Er verließ daher seine geliebte Einsamkeit unter vielen Tränen. Zu Bourges wurde er wie ein Engel vom Himmel empfangen. – Seine erste Sorge war nun sein Äußeres, wie sein Inneres, nach den Vorschriften des Evangeliums zu ordnen, denn er hatte die feste Überzeugung, dass jeder Mensch, und besonders ein Bischof, mit Gründung des Reiches Jesu an sich selbst anfangen muss. Er verdoppelte seine strengen Bußübungen, weil er, wie er sagte, nicht nur seine, sondern auch seines Volkes Sünden zu sühnen hätte. Unter seinem Klostergewand, das er nicht ablegte, und Sommer und Winter trug, hatte er beständig ein härenes Bußkleid an. Er untersagte sich für immer den Genuss des Fleisches, obgleich er es den Fremden, die mit ihm aßen, vorsetzen ließ.

 

Mit gleich zärtlicher Sorgfalt umfasste der heilige Erzbischof seine ganze Herde, ohne jedoch denjenigen, deren leibliche und geistliche Bedürfnisse er kannte, seine besondere Teilnahme zu entziehen. „Dieser wegen“, sagte er, „bin ich ganz besonders nach Bourges gesendet worden.“ Reuige Sünder fanden an ihm einen sanften und liebevollen Vater. Den Verstockten aber setzte er eine unerschütterliche Festigkeit entgegen, ohne jedoch den weltlichen Arm gegen sie zu Hilfe zu rufen, wie es in jener Zeit üblich war. Manche wurden auch durch seine bewunderungswürdige Sanftmut gerührt, gingen in sich selbst, und entsagten ihren Unordnungen. Einige der Mächtigeren wagten es daher, indem sie seine Sanftmut missbrauchen wollten, die Rechte der Kirche von Bourges zu schmälern, und schmeichelten sich mit dem Gedanken, der Heilige werde den Mut nicht haben, sich ihnen zu widersetzen. Allein bald sahen sie, dass sie sich geirrt hatten, denn Wilhelm verteidigte, auch mit Gefahr seine Einkünfte zu verlieren, kraftvoll die Rechte seiner Kirche, selbst gegen den König, dem er übrigens in allem, was das Zeitliche betraf, die höchste Unterwürfigkeit bewies. Er hatte außerdem einige Widersprüche seines Kapitels und einiger anderer Glieder seiner Geistlichkeit zu bestehen, die er aber bald durch seine Festigkeit, noch vielmehr aber durch seine tiefe Demut besiegte.

 

Beim Anblick der Verheerungen, die die Ketzerei der Albigenser verursachte, entbrannte sein heiliger Eifer. Es gelang ihm auch, mehrere zu bekehren, und er würde, hätte ihn der Tod dieser Erde nicht entrissen, eine Mission für sie veranstaltet haben. Als er mit diesem frommen Plan beschäftigt war, überfiel ihn eine Krankheit, die er anfangs nur für eine nichtsbedeutende Unpässlichkeit hielt. Ohne auf sein Fieber zu achten bestieg er noch die Kanzel, um von seinem Volk Abschied zu nehmen, bevor er seine Missionsreise antreten würde. Kaum aber hatte er die heilige Stätte verlassen, als sich das Fieber bedeutend verschlimmerte, und er musste sich ins Bett legen. Das schnelle Zunehmen des Übels ließ bald auf sein nahes Ende schließen. Er verlangte daher die letzte Ölung und dann die heilige Wegzehr, denn diese Ordnung befolgte man damals bei Erteilung der heiligen Sterbesakramente. Den unter Brotsgestalt verborgenen Gottmenschen empfing er auf den Knien liegend, unter Tränen zärtlicher Andacht. Seine Schwäche schien ihn verlassen zu haben: denn lange Zeit betete er in dieser Stellung, mit kreuzweise geschlungenen Armen. In der folgenden Nacht verlor er den Gebrauch der Sprache, als er seine Tagzeiten zu beten anfing; gab jedoch durch Zeichen zu erkennen, dass er auf Asche und auf sein härenes Bußkleid wollte gelegt werden. Man gewährte ihm seine Bitte, und gleich nach Mitternacht entschlief er sanft im Herrn am 10. Januar 1209. Seine Hülle wurde in die Kathedralkirche von Bourges begraben.

 

Die Überreste des Heiligen wurden bald durch Wunder, die Gott bei seinem Grab wirkte, verherrlicht, und deswegen im Jahr 1217 aus der Erde erhoben. Im folgenden Jahr setzte Papst Honorius III. den von Gott so begnadeten Oberhirten unter die Zahl der Heiligen. Einige Zeit später erhielt die Abtei von Châlis ein Armbein des Heiligen, das bis in die letzten Zeiten dort noch verehrt wurde. Im Jahr 1399 gaben die Kanoniker von Bourges der Kirche des Kollegs von Navarra zu Paris eine Rippe dieses Heiligen. Die Universität dieser Stadt verehrt ihn besonders als den Schutzheiligen der französischen Nation. Im Jahr 1562 verbrannten die Hugenotten den heiligen Leib, der in der Kathedralkirche von Bourges aufbewahrt wurde, und streuten die Asche in die vier Winde. Der heilige Wilhelm wird in mehreren Kirchen Frankreichs verehrt, obgleich sein Name nicht im römischen Martyrologium zu finden ist. Die Gräfin Mathilde, seine Nichte, hegte eine solche Verehrung für sein Andenken, dass sie der Kirche von Bourges mehrere Ländereien in Nivernois schenkte.

 

Die erhabenen Tugenden, die in allen Heiligen Gottes glänzten, waren die Früchte des Gebets, das sich durch den Geist Gottes in unaussprechlichen Seufzern zum Himmel erhebt. Dies ist es, das den Menschen in der Erkenntnis seiner Pflichten erleuchtet, und ihm jene Weisheit mitteilt, die unendlich über die Weisheit der Philosophen erhaben ist. Es läutert die Neigungen des Herzens, heiligt die Seele, schmückt sie mit einer ganz himmlischen Schönheit, und bereichert sie mit den köstlichsten Gnadengaben. Deswegen auch hat uns Jesus Christus das Beten so dringend anempfohlen. Nicht zufrieden unser Lehrer zu sein, wollte er auch noch unser Vorbild werden. Oft zog er sich auf die Berge und in die Einöden zurück, wo er ganze Nächte, während alle Geschöpfe in tiefem Stillschweigen begraben waren, innerlich mit seinem Vater sich unterhielt; nicht zwar, als habe er jemals sein Gebet unterbrochen, da er es bei seiner Menschwerdung anfing, und mit seinem letzten Atemzug am Kreuz beendigte. Seine treuesten Jünger wurden daher gerührt durch sein Beispiel, von innigster Verehrung für das Gebet durchdrungen, und man hat mehrere gesehen, die der menschlichen Gesellschaft entsagten, um allein des Umgangs mit Gott zu genießen. Andere, die die Vorsehung mitten in der Welt zurückhielt, wussten das Gebet des Herzens unter dem Geräusch äußerlicher Beschäftigungen ununterbrochen fortzusetzen. Was soll ich von so vielen heiligen Seelenhirten sagen, die in allen ihren Amtsverrichtungen von jenem Geist des Gebets durchglüht waren, und der sie würdig gemacht hat, die Kirche Gottes zu regieren? Allein obgleich sie allzeit in der Gegenwart Gottes lebten, unterließen sie doch nie, in bestimmten Stunden dem Gebet sich zu widmen. Sie entzogen sich sogar manche Stunde der nächtlichen Ruhe, um sich mit dem Herrn auf die engste und innigste Weise zu vereinigen, und dem Kaltsinn vorzubeugen, gegen den es so schwer ist, die Liebe zu bewahren. Glücklich all die, die das Gebet lieben! Sie gehören unter die Zahl der Auserwählten, weil sie den Fußstapfen derjenigen folgen, die jetzt schon im himmlischen Vaterland gekrönt sind.