Der heilige Wulfram war ein Sohn des Vulbertus, der sich unter der Regierung des Königs Dagobert und seines Sohnes Clodoväus durch seinen Heldenmut in den Schlachten hohe Verdienste sammelte und deswegen am königlichen Hof in großem Ansehen stand. Mit väterlicher Sorgfalt ließ er seinen Sohn, der mit vorzüglichen Talenten begabt war, in allen Wissenschaften bilden. Wulfram zeichnete sich daraufhin am Hof der Könige Lothar des Jüngeren und des Theodorich durch eine solche Gelehrsamkeit und Frömmigkeit aus, dass er nach dem Tod des ehrwürdigen Lambertus zum Oberhirten der Kirche zu Siena erwählt wurde. Schon nach einigen Jahren aber, da er in seinem Bistum die größte Ordnung hergestellt und für eifrige und gottesfürchtige Priester gesorgt hatte, wurde er von Gott ermahnt, in dem damals noch heidnischen Friesland das Evangelium zu predigen. Willig unterwarf sich der heilige Bischof diesem beschwerlichen Geschäft und begab sich, wie einst die Apostel, in größter Armut, aber mit felsenfestem Vertrauen auf Gott zu Radbot, dem Fürsten der Friesen, der ihm die Erlaubnis gab, seinen Untertanen den christlichen Glauben zu predigen. Die Friesenländer waren ein wildes, kriegerisches Volk und es kostete dem Heiligen viele Mühe, anfangs nur einige für die Lehre Jesu zu gewinnen. Als sich aber selbst Vulfranus, der Sohn des Fürsten, zum Christentum bekehrte und sich öffentlich taufen ließ, folgten seinem Beispiel bald andere, denn Wulfram bekräftigte seine Lehren und Ermahnungen nicht selten mit den auffallendsten Wundern an unheilbaren Kranken und Unglücklichen.
Die heidnischen Friesen pflegten ihren Götzen öfters im Jahr an hohen Festen Menschen zu opfern. Gerade hielt der heilige Bischof auf öffentlichem Platz eine Predigt an das Volk, als der Fürst Radbot, begleitet von den heidnischen Priestern, erschien und einen Jungen, der schon die Taufe erhalten hatte, aus der Mitte der Zuhörer riss und ihn als Schlachtopfer mit einem Strick am Hals in den Tempel zu führen befahl. Von Mitleid und Schrecken ergriffen über eine solche Grausamkeit, bat der heilige Wulfram flehentlich den Fürsten, er möchte doch kein so großes Verbrechen begehen, einen Menschen, der nach dem Ebenbild Gottes erschaffen sei, falschen und erdichteten Göttern zu opfern. Aber der Fürst erwiderte, dass dies die vaterländischen Gesetze fordern, die er, ohne ein Verbrechen zu begehen, ja selbst ohne Todesgefahr nicht verletzen dürfe. Jetzt wendete sich der Diener Gottes an das Volk und an die Götzenpriester und bat sie auf den Knien und unter Tränen um das Leben des unschuldigen Jungen. Doch er konnte ihre harten Herzen nicht erweichen und erhielt zur Antwort: „Wenn dein Christus, wie du behauptest, so mächtig ist, so erwecke den Jungen, wenn er geschlachtet ist, wieder zum Leben. Dann soll er dein und deines Gottes ewiger Diener sein.“ Unter lautem Frohlocken führten sie das unglückliche Opfer in den Tempel und hingen es am Altar des Götzen auf. Unterdessen flehte der Heilige, mit seinem Angesicht auf der Erde liegend, zu Gott um die Bekehrung der Verblendeten und um die Rettung des unschuldigen Jungen. Daraufhin erhob er sich voller Hoffnung und ging in den Götzentempel. Schon waren zwei Stunden verflossen, seit der Junge seinen Geist aufgegeben hatte. Aber Wulfram bezeichnete ihn mit dem heiligen Kreuz und der Strick zerriss. Der Junge sank gesund und lebendig zu den Füssen des Heiligen. Viele von den dort anwesenden Heiden wurden durch dieses Wunder zum Glauben an Jesus bekehrt. Aber das grausame Gesetz Menschenopfer zu bringen, war durch die Länge der Zeit und durch den Betrug der schändlichen Götzenpriester so sehr zur Gewohnheit geworden, dass es weder durch Vernunftgründe, noch durch Wundertaten entkräftet werden konnte. Die Heiden fuhren fort, an ihren festlichen Tagen Kinder zu opfern, indem sie sie entweder mit Stricken erdrosselten oder in die Fluten versenkten oder ihr Blut unter qualvollen Martern vergossen. So wurden am nächstfolgenden Fest die beiden Söhne einer armen Witwe, der eine acht und der andere fünf Jahre alt, zum Opfer bestimmt und den Wellen des Meeres auf einer Sandbank preisgegeben. Eine unzählbare Menge Volkes hatte sich am Ufer versammelt und erwartete neugierig das Ende der beiden unschuldigen Kinder. Umsonst rief die verzweifelte Mutter die Götter um Hilfe an, vergebens flehte der heilige Wulfram zum Fürsten um Erbarmen, sondern er wurde mit der höhnischen Antwort abgewiesen: „Christ, du hast da wieder Gelegenheit, durch Zauberei und Betrug die Macht deines Gottes zu zeigen.“
Schon erhob sich die Flut des Meeres und drohte die unschuldigen Kinder mit sich fortzuführen. Der größere Junge hob den kleineren mit allen Kräften empor, um ihn dem Tod zu entreißen. Bei diesem entsetzlichen Schauspiel jubelten die Heiden und die Götzenpriester sangen Lieder zur Ehre der Götter. Aber der heilige Bischof warf sich auf seine Knie und rief zum allmächtigen Gott. Plötzlich standen die tobenden Wellen wie Felsen und er schritt über das Meer, nahm den einen Jungen an seine rechte, den anderen an seine linke Hand, und nachdem er sie getauft hatte, gab er sie ihrer Mutter zurück. Auf dieses Wunder hin bekehrten sich die meisten Friesen, bis auf ihren Fürsten, der bald darauf eines jähen Todes starb. Der heilige Wulfram weihte gottesfürchtige Männer zu Priestern und begab sich in sein Bistum zurück, wo er wegen Altersschwäche den ehrwürdigen Gericus zu seinem Nachfolger in das heilige Amt wählte. Dann bereitete er sich in dem Kloster Fontanella unter Gebet und Fasten auf ein seliges Ende vor. Von Gott mit vielen Wundern sowohl im Leben als nach seinem Tod verherrlicht, starb er am 20. März im Jahr 700.