Heiliger Zosimus, Einsiedler-Abt in Palästina, + 4.4.421 - Fest: 4. April

       

Zosimus war ein Mann von hohen Tugenden und großer Beredsamkeit. Aus den Armen der Mutter wurde er dem Kloster übergeben und hatte sich da bis zu seinem dreiundfünfzigsten Jahr in aller klösterlichen Zucht, in strenger Enthaltsamkeit und Buße geübt. Er ließ nicht ab vom Psalmengebet und der Betrachtung der Heiligen Schrift, mochte er arbeiten oder essen oder des Nachts auf seinem Lager ruhen. Aus den Klöstern Palästinas und aus fernen Ländern kamen viele, um sich an seinen Lehren und Beispielen zu bilden. Aber auch für ihn sollte noch eine große Versuchung, eine Prüfung kommen, die aber zu seinem Heil ausschlug und ihn nach Gottes heiligem Plan zu einem ehrenvollen, gnadenreichen Dienst in dem so merkwürdigen Leben der großen Büßerin Maria führte (2. April).

 

In des tugendstrengen Mönches Herzen stieg der hochmütige Gedanke auf, dass er nun vollkommen wäre und der Anweisung eines anderen nicht mehr bedürfe. Er gedachte, nach seinem eigenen Bekenntnis, bei sich: Ist wohl auf Erden noch ein Mönch, der mir neues Leben geben und mich in etwas unterweisen könnte, das ich nicht schon wüsste oder schon geübt hätte? Während er sich mit solch sündigen Gedanken beschäftigte, stand ein Mann vor ihm und sprach: „O Zosimus, du hast gut gekämpft, wie es nur menschliche Kräfte vermögen. Aber keiner unter den Sterblichen findet sich, der sich selbst vollkommen nennen dürfte. Der Kampf, der deiner noch harrt, ist härter als der, den du bisher ausgehalten hast. Damit du erkennst, wieviel es noch andere und vortreffliche Wege gibt, die zum Heil führen, „so geh aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus“ (1. Mose 12,1), wie Abraham, der größte unter den Erzvätern, und komm in das Kloster, das neben dem Fluss Jordan liegt.“ Augenblicklich gehorchte Zosimus und verließ die von Jugend auf bewohnte und gewohnte Zelle und ging in das Kloster, wo der Herr ihn haben wollte. „Woher kommst du, mein Bruder“, begrüßte ihn der Abt, „und warum kommst du zu uns geringen Mönchen?“ „Woher ich komme“, entgegnete der Ankömmling, „ist wohl nicht nötig zu sagen. Deswegen aber bin ich gekommen, um mich bei euch zu erbauen, mein Vater. Ich habe von euch Rühmliches und Großes gehört, besonders dass durch euch die Seelen zur innigen Vereinigung mit Gott geführt werden.“ Der Abt: „Gott, der allein die menschliche Schwachheit heilt, wird dich, lieber Bruder, und uns seinen göttlichen Willen lehren und leite uns zu allem, was ihm wohlgefällig ist. Ein Mensch kann den anderen nicht erbauen, wenn nicht jeder auf sich selbst fleißig Acht hat und mit redlichem Herzen bestrebt ist zu tun, was Recht ist vor Gott. Doch weil die Liebe Christi, wie du sagst, dich hierher geführt hat, so bleibe bei uns! Der gute Hirt, der sein Leben für uns hingegeben hat und seine Schafe mit Namen ruft, wird uns alle mit der Gnade seines Heiligen Geistes nähren.“

 

Da sah nun Zosimus Männer und Greise, ausgezeichnet durch Einsicht und Tugenden. Während ihre Hände der Arbeit oblagen, ertönte Gottes Lob im Psalmengebet von ihrem Mund. Auch die ganze Nacht hindurch wechselte nach der Ordnung der Chorgesang. Da hörte man keine müßige Rede, da dachte niemand an Geld und Gut oder sonstige weltliche Dinge. Das allein war ihr Denken und Trachten, wie ein jeder der Welt und ihren Freuden und seinem Leib erstorben wäre. Brot und Wasser war ihre alleinige Nahrung für den Leib; ihre Seele aber war um so begieriger nach der himmlischen Speise des Wortes Gottes. Die Klosterpforte war immer geschlossen und wurde nur aus dringenden Ursachen geöffnet. Die Gegend um das Kloster war einsam und unbewohnt, die ganze Siedlung der weiteren Umgebung unbekannt.

 

Nun bestand im Kloster folgender Brauch. Am ersten Fastensonntag feierte man die heiligen Geheimnisse und jeder Mönch empfing dabei den hochheiligen Leib des Herrn. Dann machte man sich reisefertig, betete nochmals gemeinschaftlich und empfing den Segen des Abtes. Jetzt wurde die Pforte geöffnet. Mit dem Gesang: „Gott ist mein Licht und mein Heil, wen soll ich fürchten? Gott ist der Beschirmer meines Lebens, vor wem soll ich zittern“ traten die Mönche hinaus zum Fastenaufenthalt in der Wüste. Einige nahmen etwas Brot und Hülsenfrüchte mit, andere gar nichts; was die Wüste ihnen an Kräutern bot, bildete ihre Nahrung. Sie zerstreuten sich, der eine dahin, der andere dorthin, und wenn sie sich von ungefähr einmal trafen, wichen sie einander aus. Abgesondert von allem Verkehr miteinander, widmeten sie sich der strengsten Abtötung, dem Gebet und der Betrachtung; nur Gott allein sollte Zeuge ihrer heiligen Fastenübungen sein. Am Palmsonntag kehrten sie dann wieder in ihr Kloster zurück. Keiner offenbarte dem anderen, was er guten Samen ausgesät hatte für die Ewigkeit, keiner fragte den anderen, welche Kämpfe und wie er sie bestanden habe. Die Werke ihrer Gottseligkeit sollten nicht durch Menschenlob befleckt und verdorben werden.

 

Nach dieser Gewohnheit der Mönche tat auch Zosimus. Immer tiefer drang er in der Wüste vor. Am zwanzigsten Tag, da er gerade sein Psalmengebet verrichtete und seine Augen zum Himmel erhob, war es ihm, als sähe er den Schatten eines Menschen. Er erschrak anfangs, da er die Erscheinung für ein Blendwerk des bösen Geistes hielt. Bald aber überzeugte er sich, dass es ein Mensch sei, von dunkler Hautfarbe, wie sonnenverbrannt. Erfreut, nach so vielen Tagen wieder einen Menschen zu sehen und in der Meinung, dass es ein fremder Einsiedler sei, von dem er lernen und Außerordentliches erfahren könne, ging er eilends darauf zu. Als die Person aber ihn bemerkte, fing sie an fortzulaufen. Aber auch Zosimus, ganz seiner Greisenjahre vergessend, eilte nach Kräften nach und rief: „Diener Gottes, was fliehst du vor mir, der ich ein Greis und Sünder bin? Wer du auch immer sein magst, warte auf mich um dessen willen, dem zuliebe du diese Wüste bewohnst. Bleibe und gib mir Armen deinen Segen und dein Gebet!“ Da antwortete die Fliehende – es war die Büßerin Maria: „Zosimus, ich bin eine Frau, wirf mir deinen Mantel zu, um mich bedecken zu können. Dann will ich zu dir kommen, um dein Gebet zu empfangen.“ Zosimus war nicht wenig betroffen, seinen Namen von einer Person aussprechen zu hören, die er und die ihn nie gesehen hatte. Nur durch göttliche Eingebung konnte sie seinen Namen wissen. Darum zweifelte er nicht, dass diese Begegnung von Gott veranlasst sei, und warf ihr eilig seinen Mantel zu. Sich damit bedeckend, wandte sie sich im zu und sprach: „Was dachtest du, Vater, eine sündhafte Frau zu sehen? Was willst du von mir lernen, dass du dich so sehr abmühtest?“ Er aber fiel zur Erde und bat nach dem Gebrauch um den Segen. Aber auch Maria fiel auf die Knie und so lagen beide auf dem Boden und baten einander um den Segen. Welch rührende Demut und Frömmigkeit dieser beiden Heiligen.

 

So verging eine geraume Zeit und Gottes Engel mochten sich freuen über dieses anmutige Bild. Endlich sprach die Büßerin: „Vater Zosimus, dir ziemt es, den Segen zu geben und das Gebet zu sprechen, denn dich schmückt die priesterliche Würde und du stehst schon seit langer Zeit am Altar des Herrn zur Vollbringung des heiligen Opfers.“ Noch mehr wuchs das Erstaunen und die heilige Ehrfurcht des Greises. Mit zitternder Stimme antwortete er: „Es ist offenbar, o geistliche Mutter, dass du der Welt erstorben bist und dass Gott mit dir ist. Du nennst mich beim Namen und nennst mich Priester und hast mich doch nie in meinem Leben gesehen. Das Wohlgefallen Gottes haftet nicht an der Würde, sondern an der Tugendhaftigkeit der Seele. Darum segne mich aus Liebe zu Gott und lass mir dein reines, vollkommenes Gebet angedeihen.“ Da hatte sie Mitleid mit der Standhaftigkeit des frommen Greises, der sich in der Demut nicht wollte besiegen lassen und nicht aufhörte zu bitten. „Vater Zosimus“, sprach sie, „du musst für mich und alle beten, denn dazu bist du Priester. Aber um gehorsam zu sein, will ich mit gutem Willen tun, was du befiehlst.“ Mit diesen Worten wendete sie sich gegen Sonnenaufgang, streckte die Arme aus und betete still, die Augen zum Himmel erhoben. In seliger Freude stand der ehrwürdige Mönch daneben; hörte er nicht die Worte ihres Mundes, so las er jedoch auf dem Gesicht der Betenden die innigste Vereinigung mit dem allgegenwärtigen Gott, ja nun sah er – welch ein Wunder! – dass sie eine Elle hoch von der Erde sich erhob und so in der Luft schwebend betete. Ein heiliger Schauer durchbebte Zosimus; er fiel auf den Boden nieder, der Schweiß trat ihm aus den Poren, und ohne es zu wagen, die geheimnisvolle Stille mit einem lauten Wort zu brechen, betete er leise für sich: „Herr, erbarme dich meiner!“

 

O, die Erbarmungen Gottes sind wahrhaft anbetungswürdig! Wie reich wurde Zosimus belohnt für all die Mühen, Prüfungen und Kämpfe seines Lebens! War es nicht eine außerordentliche Gnade, der ruhmwürdigen Büßerin die letzten Dienste erweisen zu dürfen? Er war berufen, der Herold und Verkünder eines ganz heroischen Bußbeispiels zu werden, wie wir es vor kurzem im Leben der heiligen Maria gehört haben. Nachdem der fromme Greis, selbst ein bewundernswerter Büßer mehr der Unschuld als der Sünde, sich mit Gewissenhaftigkeit seiner Aufgabe entledigt und die lehrreiche Geschichte der Büßerin zum Nutzen der christlichen Nachwelt bekannt gemacht hatte, starb er bald danach in der Stille seines Klosters im hundertsten Jahr seines Alters, hochseligen Andenkens.

 

Halte dich nie für besser als andere! Der beschwerlichste und heftigste Kampf, den besonders die Gottesfürchtigen zu bestehen haben, ist der Kampf gegen den Stolz. Wenn du dich – in deiner Selbsteinschätzung – auch nur einem vorziehst, so schadet dir dies; wenn du dich aber allen anderen nachsetzt, so bringt dir dies Gnade von Gott!