Selige Jutta von Huy, Witwe und Reklusin, + 13. Januar 1228 – Gedenktag: 13. Januar

 

Zu Huy, einer Stadt in Belgien, lebte gegen Ende des 12. Jahrhunderts eine Jungfrau, angesehen von Geburt, jung an Jahren, schön von Gestalt, geistreich von Angesicht, edel im Benehmen, rein in den Sitten, züchtig in der Kleidung, gottesfürchtig im Herzen. Sie war die Tochter sehr reicher Eltern, hieß Jutta und hatte eine lebhafte Abneigung gegen den Ehestand. Dennoch musste und wollte sie, obwohl erst dreizehn Jahre alt, den Eltern gehorsam, einem braven jungen Mann die Hand reichen. Allein bald nach der Hochzeit erwachte in ihr die frühere Abneigung gegen den Ehestand mit solcher Macht, dass ihr die Kräfte schwanden, das Leben zum Ekel wurde und sie dem Mann den Tod wünschte. Allen Zusprüchen und Trostgründen unzugänglich, hielt sie nur noch fest an ihrem von Kindheit an geübten Vertrauen auf Maria, die Mutter voll der Gnaden. Und Maria kam ihrer verirrten Tochter zu Hilfe, befreite sie von der drückenden Schwermut und beglückte sie mit erneuter Liebe zum Mann. Jutta fühlte sich wunderbar mit ihrem Stand versöhnt, wurde Mutter dreier Söhne und lebte fünf Jahre in zufriedener Ehe.

 

Mit achtzehn Jahren war Jutta schon Witwe. Die noch frische Blüte ihrer Schönheit, der Reichtum ihres Besitzes, mehrere neue Eheanträge und das Drängen ihres Vaters, eine zweite Heirat abzuschließen, waren harte Proben ihres Entschlusses, Witwe zu bleiben. Sie blieb Witwe im schönsten Sinn des Wortes. Sie kleidete sich ganz einfach, zog sich von der Öffentlichkeit in den engen Kreis ihrer zwei noch lebenden Söhne zurück, übte strenges Fasten in Nahrung, Schlaf und jeglicher Bequemlichkeit, pflegte fleißig das mündliche und betrachtende Gebet und teilte sehr reichliche Almosen aus in dem Maß, dass sie der Vater bitter beschuldigte, sie verschwende den Kindern das Vermögen.

 

Jutta, weil sie die vollkommene Liebe noch nicht hatte, die, wie der heilige Johannes schreibt, „alle Furcht austreibt“, teilte zuletzt die Besorgnis des Vaters, wurde sparsamer den Armen gegenüber und legte ihre Gelder zu möglichst hohen Zinsen an. Aber „der Gerechte, wenn er auch fällt, zerschlägt sich nicht; denn der Herr legt seine Hand unter ihn.“ Durch die Gnade Gottes erkannte Jutta ihre Täuschung und wurde nun um so freigebiger zu den Armen. Um Buße zu tun und vor neuen Gefahren sich zu schützen, übergab sie ihr Hauswesen dem Vater und widmete sich elf Jahre lang ganz der Pflege der Aussätzigen im Siechenhaus mit heldenmütiger Selbstaufopferung. Während dieser Zeit erbetete sie ihrem Vater, der vor den Augen der Welt ein sehr angesehener, rechtschaffener Biedermann war, die Gnade der Bekehrung, so dass er Zisterzienser-Mönch im Kloster Villars wurde und in strenger Buße sein Leben schloss. Auch der ältere Sohn trat in den Orden der Zisterzienser. Der jüngere aber, der in der Welt blieb und in schlechte Gesellschaft geriet, führte ein ausgelassenes Leben. Die unsäglich bekümmerte Mutter verschwendete Zusprüche und Ermahnungen, Bitten und Tränen an den Unverbesserlichen. Doch ihr Vertrauen auf die Macht des Gebetes und auf die Fürbitte Marias wankte nicht. Tag und Nacht lag sie auf den Knien, den beleidigten Vater im Himmel um Erbarmen anflehend für ihr unglückliches Kind.

 

Nach einiger Zeit hatte der Sohn einen lebhaften Traum. Er befand sich vor dem Richterstuhl Jesu Christi, erkannte die Menge und Größe seiner Sünden und sah, wie die höllischen Geister ihn ergreifen und ins ewige Feuer werfen wollten. In dieser entsetzlichen Angst und Furcht hörte er den Richter sprechen: „Lasst ihn noch, wegen der Verdienste und Bitten seiner und meiner Mutter will ich ihm noch drei Jahre zur Buße schenken.“ Der junge Mann erwachte zitternd vor Schrecken, tröstete die Mutter mit dem Gelöbnis, dass er in ein Zisterzienser-Kloster gehen werde, und heiligte sich durch beharrliche Buße und wirksame Frömmigkeit.

 

Jutta, von allen äußeren Sorgen nun frei, entsagte dem „Dienst der Martha“ und wählte den „Anteil der Maria“. Sie schloss sich in eine enge Zelle zu Huy ein, die an eine Kirche angebaut war, und lebte dort noch sechsunddreißig Jahre in bewunderungswürdiger Strenge im Gebet und der Betrachtung. Gott versüßte der treuen Dienerin die Einsamkeit und die vielen Anfechtungen mit der Gabe der Beschauung und mit himmlischen Erscheinungen. So erschien ihr Jesus selbst zweimal und in Ermangelung eines Priesters reichte ihr der heilige Johannes die heilige Kommunion. Vorzüglich berühmt wurde sie durch ihr inniges Erbarmen und Mitleid mit Sündern und Unglücklichen. Sehr vielen Personen geistlichen und weltlichen Standes, die ihr ihren gefährlichen Seelenzustand offenbarte, hat sie durch ihre Ermahnungen und Fürbitte, wie auch durch mehrere Wunder zu einer standhaften Besserung des Lebens verholfen. Ihr hellleuchtendes Beispiel zog auch mehrere geistliche Töchter an, die sie mit Rat und Tat auf dem Weg der Vollkommenheit förderte. Reich an Tugenden und Verdiensten starb sie an dem Tag und zu der Stunde, wie sie es vorausgesagt hatte, mit zum Himmel erhobenen Augen und fröhlichem Angesicht im Alter von siebzig Jahren, es war der 13. Januar 1228. Ihr Leichenbegräbnis und ihr Grab leuchtete durch viele Wunder.